Milton (rad-net) - Mit neuen Gesichtern und erfahrenen Athleten tritt das neunköpfige deutsche Team ab morgen bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften der Para-Cycler an. Im kanadischen Milton geht es dabei nicht nur um WM-Medaillen, sondern auch noch um Startplätze für die Paralympics in Tokio.
Die Wettkämpfe, die vom 30. Januar bis zum 2. Februar stattfinden, haben für die sieben Athleten und zwei Piloten im Jahr der Paralympics eine besonders große Bedeutung. «Das Ziel sind Medaillen, aber darüber hinaus geht es vor allem um wichtige Punkte und Plätze für die Spiele in Tokio», sagt Bundestrainer Tobias Bachsteffel.
Maike Hausberger ist eines dieser neuen Gesichter in der Nationalmannschaft. Dabei setzte die 25-Jährige im September 2019 direkt ein großes Ausrufezeichen: Nach Para-Leichtathletik und Para-Triathlon war sie erst vor knapp zwei Jahren zum Para-Radsport gekommen, feierte aber mit Gold im Straßenrennen bei den Weltmeisterschaften im niederländischen Emmen vergangenes Jahr ihren ersten großen Erfolg. Doch die Bahn-WM ist auch für die zweimalige Paralympics-Teilnehmerin Neuland. Entsprechend bescheiden gibt sich Hausberger vor den Wettkämpfen: «Ich kann nicht viel erwarten. Natürlich liebäugelt man mit einer Medaille, aber ich muss sehen, was tatsächlich möglich ist.» Auch der Bundestrainer stellt keine zu großen Erwartungen an seine Athletin. «Sie soll Erfahrungen sammeln und die Atmosphäre genießen.» Die Konkurrenz in der Startklasse C2 sei schwer einzuschätzen, erklärt Bachsteffel. An einem guten Tag traue er ihr dennoch einen Podestplatz zu.
Auch Raphaela Eggert gehört zur Fraktion der jungen Wilden der Para-Cycling-Nationalmannschaft. Nachdem die 27-jährige Athletin vom PTSV Jahn Freiburg schon erste Erfolge auf der Straße gefeiert hatte und 2017 WM-Silber im Zeitfahren gewann, gibt sie jetzt ihr Debüt bei einer Bahn-WM. Trotzdem hofft sie auf Edelmetall: «Ich träume schon so ein kleines bisschen von einer Medaille in der Verfolgung über 3000 Meter», sagt Eggert. Dabei war der Leistungssport noch vor wenigen Monaten in weite Ferne gerückt. 2018 ist sie an den Spätfolgen eines Hirntumors, den sie im Alter von fünf Jahren hatte, an Epilepsie erkrankt. Radfahren sei zu dieser Zeit nicht möglich gewesen, weshalb sie sich vom aktiven Leistungssport zunächst zurückgezogen hatte. Doch Aufgeben kam für Eggert nicht in Frage. Sobald sie grünes Licht der Ärzte bekommen hatte, nahm sie das Training wieder auf: «Radfahren macht mir unglaublich viel Spaß. Mir hat einfach der Wettkampf gefehlt», erklärt die 27-Jährige kämpferisch.
Auch die erfahrenen Para-Radsportler im deutschen Team werden wieder ein Wörtchen mitreden wollen. Allen voran Denise Schindler, die in ihrer Paradedisziplin, der 3000-Meter-Einerverfolgung, voll angreifen und versuchen wird, ihren WM-Coup von 2018 zu wiederholen. Die härteste Konkurrentin werde sicherlich Vorjahressiegerin Paige Greco (Australien) sein, sagt Bachsteffel und hofft diesmal auf das bessere Ende für Schindler, die allerdings mit einer Kniekehlen-Entzündung antritt und auf die Zähne beißen muss.
In der Startklasse C1 gehen mit Pierre Senska und Erich Winkler gleich zwei aussichtsreiche Kandidaten an den Start. Beide dürfen sich berechtigte Hoffnungen auf einen der vorderen Plätze in der Verfolgung machen. Sie profitieren von der großen Konkurrenz innerhalb des eigenen Teams. «Das hohe Trainingsniveau und der Wettbewerb innerhalb der Mannschaft pusht die Sportler zu Höchstleistungen», stellt Bachsteffel fest.
Dem Tandem mit Kai Kruse und Pilot Robert Förstemann traut der Bundestrainer insbesondere bei den Sprintdisziplinen gute Chancen auf einen Podestplatz zu. «Die beiden haben sich in den letzten Monaten immer besser als Team gefunden. Vor allem Förstemann fordert als ehemaliger Olympia-Teilnehmer viel von seinem Kollegen und bringt Kai Kruse immer wieder ans Limit.» Das Duo bestehend aus dem ehemaligen Para-Ruderer und dem Olympiadritten im Teamsprint in London 2012 landete bei der Bahnrad-WM 2019 auf dem siebten Platz und arbeitet hart, um sich den Traum von der Paralympics-Qualifikation in Tokio zu erfüllen. Dass die Form stimmt, bewiesen die beiden kurz vor dem Abflug nach Kanada: Bei den Sixdays im Berliner Velodrom stellten Kruse und Förstemann über 1000 Meter in 1:01,63 Minuten einen deutschen Rekord auf.
Generell zeigt sich Bundestrainer Tobias Bachsteffel mit Blick auf die Leistung und die Entwicklung des deutschen Teams zuversichtlich. «Die jungen Sportler integrieren sich gut in die Mannschaft und entwickeln sich hervorragend. Doch letztlich ist es auf der Bahn auch immer ein bisschen Glückssache. Eine Zehntelsekunde kann über eine Medaille oder den undankbaren vierten Platz entscheiden», betont Bachsteffel.
Das deutsche Aufgebot für die Para-Cycling-Bahn-WM 2020:
Jessica Dietz (B/25/BPRSV Cottbus), Maxie Rathmann (Pilotin/25/BPRSV Cottbus)
Raphaela Eggert (C4/27/PTSV Jahn Freiburg)
Maike Hausberger (C2/25/BPRSV Cottbus)
Kai Kruse (B/28Schweriner SC), Robert Förstemann (Pilot/33/SSV Gera)
Denise Schindler (C3/34/BPRSV Cottbus)
Pierre Senska (C1/31/BPRSV Cottbus)
Erich Winkler (C1/51TV Geisenhausen)