San Vicenzo (dpa) - Nach der Petacchi-Entlassung sucht das Milram-Team nach Neu-Orientierung, genau wie der geschasste Supersprinter aus La Spezia.
«Viele Verträge laufen zum Saisonende aus, aber wo die Reise bei uns hingeht, weiß noch niemand», sagte Teamchef Antonio Bevilaqua am Rande des Giro d'Italia und deutete vorsichtig einen möglichen Systemwechsel im Team an. Ohne Petacchi, der nach Ablauf seiner Sperre erwägt, seine Laufbahn nun doch in einem anderen Team fortzusetzen, steht das Ende der Ära der großen Sprinter bei Milram bevor. Denn auch die Tage Erik Zabels, der sein sportliches Schicksal mit dem Petacchis bei Milram verbunden hat, sind bei dem vom Bremer Milchkonzern «Nordmilch» gesponserten Team wohl gezählt. Der Vertrag des Berliners, der bei der Tour de France seinen 38. Geburtstag feiern wird, endet zum Saisonende.
Nach der fristlosen Kündigung des Petacchi-Vertrages nach einem «Gentlemen's Agreement und ohne Groll», wie sein Manager Andrea Agostini sagte, will der 34-Jährige seine Karriere nun doch eventuell fortsetzen. «Die Tendenz gibt es. Vielleicht macht er weiter und es gibt es ein Team, in dem er nach Ablauf seiner Sperre am 1. September die Vuelta fahren kann», sagte Agostini der Deutschen Presse-Agentur dpa. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hatte am 6. Mai eine zehnmonatige Doping-Sperre vom 1. November 2007 bis zum 31. August 2008 verhängt. Die nahm sein Arbeitgeber zum Anlass der Kündigung, obwohl das Gericht, Petacchis eine Doping-Betrugsabsicht ausdrücklich nicht unterstellte.
Der 24-fache Giro-Etappengewinner war bei der Italien-Rundfahrt 2007 mit überhöhten Werten des Asthma-Mittels Salbutamol aufgefallen. Allerdings überschritt Petacchi die zulässigen Grenzwerte von 1000 Nanogramm um 320 pro Milliliter Urin. «Der CAS befreite Petacchi zwar von dem Vorwurf des Betruges und des Missbrauchs des Medikamentes, kam aber zu dem Schluss, dass es zu einer Missachtung der UCI- Regularien, als auch der Sondergenehmigung (ATUE) zur Verwendung von Salbutamol gekommen war», hatte es in einer Milram-Presse-Erklärung geheißen, mit der die Kündigung begründet wurde.
«Waggons ohne Lokomotive», titelte die «Gazzetta dello Sport» nach der Petacchi-Entlassung und nahm damit Bezug auf den sogenannten Sprinter-Zug, der nun ohne «Lokführer» dasteht. «So ein Team wie das unsere, bildet man nicht von heute auf morgen», sagte Alberto Ongarato, neben Marco Velo und Zabel einer der Anfahrer für den schnellen Petacchi. Velo und Ongarato wollen treu bleiben und Petacchi spätestens 2009 zu einem neuen Team folgen: «Wir hoffen, mit ihm zusammen zu bleiben. Er wird irgendwohin gehen, aber ohne seinen 'Zug' macht es nicht viel Sinn, ihn zu nehmen», erklärte Velo, der sich auf den Besuch des fristlos gekündigten Milram-Angestellten am Giro-Ruhetag freut.
Der Fall Petacchi wirft ein weiteres Mal ein bezeichnendes Licht auf den Anti-Doping-Kampf im Radsport, der um Glaubwürdigkeit ringt. Leonardo Piepoli, Edelhelfer des aktuellen, zweimaligen Etappen- Siegers Riccardo Ricco (beide Saunier Duval), wurde im Vorjahr Salbutamol in einer noch höheren Konzentration nachgewiesen, als Petacchi sie hatte. Der monegassische Verband sprach Piepoli frei. So kann der zierliche Italiener jetzt beim Giro glänzen, ohne das ein allzu großer Schatten auf ihn fällt.