Fucecchio (dpa) - Der Telemark auf dem großen Podium des Giro d'Italia durfte nicht fehlen. Es ist das Markenzeichen von Primoz Roglic und erinnert an seine erste und durchaus erfolgreiche Karriere als Skispringer.
Längst fliegt der Slowene die Berge aber rauf statt runter. Und das dermaßen schnell, dass er gleich zum Auftakt der Italien-Rundfahrt das Maglia Rosa an sich riss. «Diesen Tag werde ich niemals vergessen. Vor fünf Jahren war das unvorstellbar», sagte der slowenische Radprofi, nachdem er das Auftaktzeitfahren in Bologna dominiert hatte.
Vor fünf Jahren hatte Roglic gerade seine Radsportkarriere in Gang gesetzt, damals noch im drittklassigen Team Adria Mobil. Erst seit 2016 ist der 29-Jährige im Profigeschäft. Und seit 2016 bringt er die Experten mehr und mehr ins Staunen. In diesem Jahr gewann er schon drei Rundfahrten, stand 13 Mal auf dem Podium und holte acht Siege, was ihn automatisch zum Topfavoriten auf den Giro-Sieg macht.
Gelingt ihm womöglich das Kunststück, wie Gianni Bugno 1990 vom ersten bis zum letzten Tag das Rosa Trikot zu tragen? «Ich weiß es nicht. Aber das Wichtigste ist, es in Verona zu tragen», sagt der selbstbewusste Roglic. Verona ist am 2. Juni das Ende der 3578,8 Kilometer langen Reise durch Italien. Bis dahin sind noch viele Berge und rund 47 000 Höhenmeter zu bewältigen. «Da kann sich noch viel ändern», sagt der italienische Altstar Vincenzo Nibali, der als schlechterer Zeitfahrer seinen Schaden mit 22 Sekunden Rückstand zum Auftakt in Grenzen hielt.
Doch die Abstände auf die Konkurrenten waren schon beträchtlich und haben selbst Roglic «überrascht». 19 Sekunden auf den britischen Vuelta-Sieger Simon Yates sind es und Ex-Zeitfahr-Weltmeister Tom Dumoulin (Niederlande) verlor gar fast eine halbe Minute. Letzterer hatte Roglic 2016 bei dessen Giro-Debüt in Apeldoorn das Rosa Trikot im ersten Zeitfahren noch um 22 Hundertstelsekunden entrissen. Damals war der frühere Goldmedaillengewinner im Mannschafts-Skispringen der Junioren-WM noch ein völlig Unbekannter im Radsport.
Das sollte sich schnell ändern. Noch im gleichen Jahr gewann er das Giro-Zeitfahren in Chianti, woraufhin er verdächtigt wurde, mit einem Motor unterwegs gewesen zu sein. Dass er aber tatsächlich schnell in die Pedale treten kann, hat er in der Folgezeit bewiesen. 2017 gewann er bei der Tour de France die Alpenetappe in Serre-Chevalier und im vergangenen Jahr wurde er immerhin schon Gesamtvierter bei der Frankreich-Rundfahrt.
Roglic bringt alles mit, um eine große Rundfahrt zu gewinnen. «Primoche», wie er in seiner Heimat gerufen wird, ist ein exzellenter Zeitfahrer und kommt mit einem Gewicht von nur 65 Kilogramm gut die Berge hinauf. Ein Kampfgewicht, das er bereits in seiner ersten Karriere hatte. Dass sein schwerer Sturz beim Skispringen für den Umstieg aufs Rad sorgte, verneint Roglic dabei: «Man muss die Stürze im Skispringen akzeptieren wie im Radsport.»
Was Roglic noch fehlt zum ersten großen Sieg, ist vielleicht die Erfahrung. Der diesjährige Giro ist erst die vierte Grand Tour, die er bestreitet. Entsprechend spekuliert der erfahrene Nibali, dass es für den Slowenen in der letzten Woche eng werden könnte. Bis dahin dürfen die Zuschauer vielleicht noch einige Telemarks von Roglic auf dem Podium sehen.
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