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Klöden, Kessler und Sinkewitz warten 2006 auf den Start der 11. Tour-Etappe.
13.05.2009 17:08
Doping-Fazit: Magenta-Radprofis als Mogelpackung

Freiburg (dpa) - Auf 63 Seiten haben die Freiburger Doping-Ermittler die Erfolgsstory des früheren Vorzeigeteams Telekom/T-Mobile endgültig als Mogelpackung entlarvt und Spitzenfahrer Andreas Klöden in die Bredouille gebracht.

Der Radrennstall habe von 1995 bis 2006 «systematisch gedopt», auch Klödens Manipulationen seien erwiesen, heißt es in dem Abschlussbericht zur Doping-Affäre an der Uniklinik Freiburg. Zwei Jahre lang hatte eine Untersuchungskommission Beweismaterial gesammelt, dabei 77 Zeugen befragt. Das Gremium belastet vor allem die beiden früheren Team-Ärzte Lothar Heinrich und Andreas Schmid. «Das systematische Dopen unter ärztlicher Kontrolle wurde perfektioniert», sagte Kommissionschef Hans Joachim Schäfer.

88 Minuten lang breitete der Jurist in der schlichten Bibliothek der Frauenklinik die Indizien für den Betrug bei der Magenta-Equipe, der schon vor den Tour-de-France-Triumphen von Bjarne Riis 1996 und Jan Ullrich 1997 begonnen haben soll, vor der Journalistenschar aus. Neben geständigen Dopingsündern wie Patrik Sinkewitz sieht Schäfer auch Astana-Profi Klöden und Matthias Kessler, die bislang alle Doping-Vorwürfe bestritten haben, als überführt an. «Sie waren in Freiburg und haben wie Sinkewitz Frischblut bekommen», erklärte der frühere Präsident des Sozialgerichts Reutlingen mit sichtbarer Genugtuung über den Abschluss der heiklen Arbeit.

Im März 2008 hatte seine Kommission in einem Zwischenbericht bereits klare Hinweise für die umfangreichen Doping-Praktiken in Freiburg vorgelegt. Doch immer wieder führten die Ermittlungen in die Sackgasse, stieß die Kommission auf eine Mauer des Schweigens. «Die Radfahrer leben ja in einer eigenen Welt», bemerkte Schäfer.

Sicher aber sind sich die Ermittler im Fall Klöden. Während der Tour de France 2006 sollen er, Kessler und Sinkewitz am 2. Juli 2006 im Auto von Sinkewitz' früherer Freundin von Straßburg nach Freiburg gefahren sein und sich dort Eigenblut-Transfusionen unterzogen haben. Auf die Frage, ob ein Dopingvergehen Klödens bewiesen sei, antwortete Schäfer: «Ja.» Klöden hatte im Dezember 2008 in einem ZDF-Interview seine Beteiligung bestritten und gesagt, ein derartiger «Rheinkonvoi» sei «Quatsch. Ich habe da nicht drin gesessen.»

Strafrechtliche Konsequenzen zumindest muss der 33-Jährige nicht fürchten. Wie der Freiburger Oberstaatsanwalt Wolfgang Maier der Deutschen Presse-Agentur dpa sagte, werde derzeit nicht gegen noch aktive oder inzwischen zurückgetretene Radprofis ermittelt. «Wir ermitteln gegen Ärzte, eine Apothekerin und ehemalige Leiter von Radsport-Teams.» Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) kündigte an, den Abschlussbericht studieren zu wollen. Das Dokument solle den betroffenen Verbänden rasch zugestellt werden, sagte BDR-Chef Rudolf Scharping. Dann könne es eventuell zu sportrechtlichen Verfahren kommen. «Wir werden uns das sehr genau angucken», sagte Scharping. Dass die Freiburger Kommission systematisches Doping im früheren Team Telekom/T-Mobile, dem «Flaggschiff des Straßen-Radsports», festgestellt habe, sei «erschütternd».

Neuerliches Ungemach droht vor allem Schmid und Heinrich. «Es ist sicher davon auszugehen, dass es hier zu strafrechtlichen Untersuchungen kommen wird», sagte Klinikdirektor Wolfgang Holzgreve. Zugleich sei auch der Entzug der Approbation der Ärzte ein Thema.

Erschüttert hatte Schäfer zuvor von einem lebensbedrohlichen Zwischenfall berichtet. Beim Eigenblutdoping von Sinkewitz habe die Transfusion zweimal abgebrochen werden müssen, da Sinkewitz' Blut geklumpt habe. Ohne jegliche weitere ärztliche Überwachung habe Schmid den Hessen dennoch zurück zur Tour fahren lassen und habe schwere Komplikationen wie etwa eine Lungenembolie in Kauf genommen.

Laut dem Dokument begann systematisches EPO-Doping in der Magenta-Equipe im Januar 1995 während eines Trainingslagers auf Mallorca. Schon 1994 seien Glucocorticoide und Wachstumshormone im Team Telekom eingesetzt worden. Der Bericht listet verschiedene Indizien auf, die in Verbindung mit weiteren Erkenntnisquellen «auf Doping mit EPO- Präparaten oder Blutdoping bis einschließlich 2006 hindeuten».

Belastende Indizien gegen Ullrich haben die Experten indes nicht entdeckt. «Wir haben über Jan Ullrich nichts Neues gefunden. Ich gehe davon aus, dass Jan Ullrich zwar in Freiburg die üblichen Untersuchungen hat machen lassen, aber, wenn überhaupt, woanders betreut worden ist», sagte Schäfer. Der Tour-de-France-Sieger von 1997 wird verdächtigt, Kunde des mutmaßlichen spanischen Dopingarztes Eufemiano Fuentes gewesen zu sein. Ullrich bestreitet die Vorwürfe.

Neben der Befragung der 77 Zeugen, deren Namen zu ihrem Schutz wieder aus dem Abschlussbericht entfernt wurden, wertete das Gremium mit Schäfer, Biochemiker Wilhelm Schänzer und dem Pharmakologen Ulrich Schwabe zahlreiche Quittungen und Kontobewegungen aus. Zudem wurden 58 800 Blutproben nachgetestet.

Zugleich entlastete die Kommission die Bonner Unternehmen Telekom und T-Mobile. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die früheren Hauptsponsoren «in die Aktivitäten der dopingbelasteten Ärzte verwickelt waren». Die Uniklinik habe demnach ebenfalls keine Kenntnis von den Dopingvorgängen in ihrem Haus gehabt.


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