Berlin (dpa) - Werner Franke geht davon aus, dass es im jüngsten spanischen Skandal um den Mediziner Eufemiano Fuentes noch mehr deutsche Hintermänner gibt.
«In den spanischen Ermittlungsakten ist die Rede von Wohnungen in Frankreich und Deutschland, von denen aus Doper versorgt werden» wird der Professor für Zellbiologie im Nachrichtenmagazin «Focus» zitiert. In den Akten werde immer wieder ein «Dr. L.» genannt, der wie der beschuldigte Mediziner aus Bad Sachsa ebenfalls aus Deutschland stammen und Teil eines internationalen Doping-Netzwerkes sein könnte.
Nach Informationen der «Bild»-Zeitung hat die Staatsanwaltschaft auch die Apotheke in Braunlage durchsucht, in der die Frau des verdächtigen Arztes arbeitet, der Fuentes mit Doping-Präparaten versorgt haben soll. Der Chef der Apotheke beteuert zwar die Unschuld seiner Angestellten und erklärt, sie hätte nie etwas mitgenommen. Allerdings soll er langjährige Kontakte des Arztes zu Fuentes bestätigt und von einer «Sandkastenfreundschaft» gesprochen haben.
Laut Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» soll der beschuldigte deutsche Mediziner auch Sportler in Spanien behandelt haben. «Der gebürtige Pole begründete gegenüber Bekannten seine häufigen Besuche unter anderem auf Gran Canaria auch mit seiner Zusammenarbeit mit Athleten», berichtet das Magazin. Zudem habe der inzwischen beurlaubte Arzt in seiner ehemaligen Klinik in Bleicherode einen Kollegen angesprochen, ob dieser ein Radsportteam betreuen wolle. Der Beschuldigte schweigt weiter zu allen Vorwürfen.
Noch dieses Jahr soll es nach Aussage des Vorsitzenden des Sportausschusses im Bundestag, Peter Danckert, in Deutschland ein Antidopinggesetz geben. «Ja. Das ist mein großes Ziel, und ich glaube, wir sind dem sehr nahe», sagte der SPD-Politiker der «Welt am Sonntag». Er sehe immer mehr Befürworter für ein Gesetz. «Wir wollen die Sportgerichtsbarkeit nicht in Zweifel ziehen, geschweige denn abschaffen», so Danckert. Doch daneben sei der Staat mit seinen Möglichkeiten gefragt.
In der ersten Septemberhälfte gebe es ein Grundsatzgespräch mit Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), informierte Danckert. Zudem finde am 27. September erstmals eine umfassende Dopinganhörung im Bundestag statt. Teilnehmen sollen daran unter anderem Richard Pound, Chef der Welt-Antidoping-Agentur (Wada). «Im Oktober haben wir eine klare Position», sagte Danckert. Der Politiker widersprach, dass das Bundesinnenministerium (BMI) den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Thomas Bach, in seiner Haltung gegen ein Antidopinggesetz unterstütze. «Es gibt noch keine endgültige Auffassung des BMI in dieser Frage», sagte der Ausschuss-Vorsitzende.
In der «Süddeutschen Zeitung» räumte Lothar Heinrich, Arzt des deutschen Profirennstalls T-Mobile nach den Doping- Verwicklungen seines ehemaligen Schützlings Jan Ullrich sowie des ehemaligen T-Mobile-Profis Oscar Sevilla erstmals teilweise Fehler ein. Er sei zwar «der Mannschaftsarzt und Ansprechpartner», aber «nicht der Richter», sagte Heinrich, der mit Ullrich seit 1995 zusammen arbeitet.
«Wenn ich mich als Teil des Kontrollsystems sehe, dann habe ich auch versagt. Nur: Meine Arbeit ist Teamarzt, nicht Dopingkommissar», erklärte der Mediziner und bemerkte: «Ja, richtig, das ist der Dopingfall Jan Ullrich.» Über die bisher vorliegenden Fakten in dem Fall sei er enttäuscht und auch traurig: «Alles andere wird ermittelt.» Er sehe den Profiradsport «nicht als Hochdopersportart», erklärte Heinrich, ergänzte aber: Dass angesichts der Wettkampfintensität die Gefahr bestehe, auf unerlaubte Mittel zurückzugreifen, wenn man nicht optimal trainieren und sein Leben ganz dem Sport opfern wolle - «ja, die Gefahr besteht».
«Vielleicht hatte ich auch zu viel Vertrauen in die Fahrer. Das können aber nur die beurteilen, die dieses Vertrauen missbraucht haben. Beweise dafür gibt es offenkundig wenig bis keine», sagte Heinrich. Mit verbalen Verurteilungen müsse man sehr vorsichtig sein. Seine persönliche Schlussfolgerung: «Zukünftig lege ich mehr Misstrauen an den Tag.» Außerdem wolle er sich «in einige Sachen einarbeiten», obwohl er kein Biochemiker sei. «Wir werden Proben einfrieren, weitere Vorsichtsmaßnahmen treffen», kündigte Heinrich an.