Hamburg (dpa) - Walter Godefroot verstand die nach seiner Kritik an Jan Ullrich entstandene Aufregung nicht. Von Missverständnissen und Falsch-Interpretationen war die Rede. Trotzdem bestand zwischen ihm und Ullrich Gesprächsbedarf.
Nach einem 15-minütigen «Krisengipfel» zwischen mit dem T-Mobile-Manager und dem Rad-Profi im Vorfeld des sechsten Weltcup-Rennens HEW-Cyclassics in Hamburg gab es nach den Worten des diesjährigen Vierten der Tour de France eine «Annäherung der Standpunkte». Doch alles scheint noch nicht geklärt. «Wir haben weitere Gespräche vereinbart», sagte Ullrich.
Godefroot hatte am vorletzten Tag der 91. Tour de France in zwei französischen Zeitungen eigentlich alt bekannte Kritikpunkte an Ullrich wiederholt. Sie gipfelten in den Vorwürfen an den Team- Kapitän und dessen persönlichen Betreuer Rudy Pevenage, in der Vorbereitung geschludert zu haben. Ullrich fühlte sich auf den Schlips getreten und kündigte via Fernsehen «Konsequenzen» an. Ullrich habe - gemessen an dem Anspruch, Lance Armstrong ernsthaft herauszufordern - bei der Tour enttäuscht und keinen «Killerinstinkt», hatte Godefroot gesagt. Das sei natürlich auch positiv zu werten, wie Team-Routinier Rolf Aldag bemerkte: «Jan geht für den Erfolg eben nicht über Leichen.»
Die vertraglichen Voraussetzungen bieten ohnehin wenig Möglichkeiten für ernsthafte «Konsequenzen». Ullrich hat laut Philipp Schindera, Leiter der Unternehmenskommunikation, mit T-Mobile noch einen Vertrag bis 2006, der ihm jährlich geschätzte 2,5 Millionen Euro einbringt. Pevenage ist noch bis 2005 an T-Mobile gebunden und hat lediglich das Recht, Ullrich privat zu beraten. Alle übrigen Fahrer des Bonner Teams, einschließlich des Tour-Zweiten Andreas Klöden, sind bei Godefroot angestellt, dessen Firma ihrerseits noch einen Zweijahresvertrag mit T-Mobile hat.
Alles bleibt also beim Alten und ist scheinbar im Lot, auch wenn es hinter den Kulissen weiter rumoren mag. Pevenage, der in Frankreich wenig zur Tour-Taktik des T-Mobile-Teams beitragen durfte, war nicht in Hamburg und wartete zu Hause in Geraardsbergen auf einen Anruf Ullrichs. «Ich hoffe, es gibt eine Vereinbarung, die auch der Realität standhält», sagte Ullrichs persönlicher Betreuer, der dem Toursieger von 1997 Ende 2002 von Telekom zu Coast und Bianchi gefolgt war, und damit bei Godefroot in Ungnade gefallen war.
Aber auch die Rückkehr zum Bonner Rennstall hat dem 30-jährigen Ullrich nicht den zweiten Tour-Triumph beschert. Möglicherweise ist es dafür bereits zu spät, unabhängig davon, in welcher Konstellationen es demnächst im Team weiter läuft. «Wer sagt denn, dass Jan im Januar oder Februar nicht richtig trainiert hat? Vielleicht war er an seinem persönlichen Limit - 1997 ist auch schon eine Weile her», gab Aldag zu bedenken, der seinen Kapitän seit 1996 über alle Höhen und Tiefen begleitete.