Saint-Étienne (dpa) - Bei Geraint Thomas hatten die Kommissäre genau hingeschaut. 200 Schweizer Franken Strafe bekam der Titelverteidiger der Tour de France aufgebrummt, weil er seine Trinkflasche außerhalb der Abfallzonen entsorgt hat.
Ja, auch dafür gibt es Regeln im Tross des größten Radrennens der Welt. Schließlich sehen sich die Veranstalter in Zeiten von «Fridays for Future» zunehmend der Kritik von Umweltschützern ausgesetzt. Denn die Tour ist nicht nur eine riesengroße Party auf Frankreichs Landstraßen, sondern auch ein enormer Müllproduzent.
15 Millionen Werbeartikel werden während der 21 Etappen durch die Werbekarawane ins Publikum geworfen. «Nutzloses Zeug», wie der Abgeordnete François-Michel Lambert findet. Ein Zustand, «als würde es Plastik regnen». Der Politiker hat sich mit 30 weiteren Vertretern und sechs Nicht-Regierungs-Organisationen zusammengeschlossen, um gegen den «Plastikzauber» vorzugehen. Das Problem ist nicht wegzudiskutieren: 2018 sammelte beispielsweise das Département Haute-Savoie allein 43 Kubikmeter Müll auf 150 Kilometern entlang der Strecke ein - und die Tour verläuft in diesem Jahr über 3480,3 Kilometer durch das Land.
Aus Liebe «zur Landschaft, den Bergen und den Kommunen» sollten die Veranstalter über eine «grünere Tour» nachdenken, fordert Lambert. Das mache die Rundfahrt, beschwichtigt Tour-Chef Christian Prudhomme: «Seit fünf Jahren haben wir mit unseren Partnern damit begonnen, weniger Plastik-Geschenke an das Publikum zu verteilen.» Im Vergleich zu 2017 sei die Anzahl der Werbeartikel schon um drei Millionen zurückgegangen.
Über die Frage, ob es noch zeitgemäß sei, dass rund 160 Wagen gut zwei Stunden vor dem Rennen ihre Utensilien ins Publikum werfen, wird bei den Verantwortlichen nicht diskutiert. Seit 1930 gibt es die Werbekarawane, sie gehört quasi zum Tour-Inventar. Dabei mehren sich auch innerhalb des Pelotons die kritischen Stimmen. «Es gibt noch einiges zu tun, wenn ich den Konvoi der Tour betrachte. Wir müssen unser Verhalten ändern. Jeder sollte sich des Themas bewusst sein», sagt etwa Frankreichs Rundfahrt-Hoffnung Romain Bardet.
Ähnliche Worte waren auch vom britischen Super-Rennstall um Thomas im vergangenen Jahr zu hören, als sie für die Kampagne «Rettet die Ozeane» eingestanden waren. Ein Jahr später ist aus dem Team Sky nun Ineos geworden, der Hauptsponsor zählt zu den weltweit größten Unternehmen bei der Plastikproduktion. Die Teilnahme des Chemieriesen an der Tour sei «ein katastrophales Signal», heißt es von der Umweltorganisation Zero Waste France. «Ineos investiert seit einigen Jahren in den Sport, um sein Image aufzupolieren.» Das Investment in die Plastikproduktion konterkariere die Bestrebungen der Bevölkerung, den Plastikmüll zu reduzieren.
Ineos-Teamchef David Brailsford zeigt sich sichtlich genervt von den bohrenden Fragen. «Wir setzen uns weiterhin für die Reduzierung von Einweg-Kunststoffen ein», sagt der Brite. Um die Kampagne aus dem Vorjahr ist es aber eher lautlos geworden. Da sind die 200 Franken Strafe für Thomas immerhin für einen guten Zweck.
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