Andorra-Arcalis (dpa) - Noch fehlt der Clou, nicht aber die Zuversicht: Vor den ersten Bergetappen der 96. Tour de France hat das deutsche Milram-Team eine positive Zwischenbilanz gezogen.
«Wir hatten vier gute Tage, einen neutralen und einen schlechten Tag. Wie sich die Mannschaft im Feld generell zeigt und die Etappen mitbestimmt, ist ein Zeichen von Stärke», meinte der Sportliche Leiter Christian Henn nach den ersten Flachetappen, bevor es in die Pyrenäen ging.
Eine auffällige und starke Tour hat die Dortmunder Equipe aber auch bitter nötig, um Klarheit für die Zukunft zu haben. Schließlich hat der Sponsor Nordmilch AG angekündigt, trotz eines bis 2010 laufenden Vertrags das Radsport-Sponsoring nach der Großen Schleife erneut auf den Prüfstand zu stellen. Nicht zufällig hat Teamchef Gerry van Gerwen vor Tour-Start daher «Attraktivität» als oberstes Ziel ausgegeben.
Zumindest in den ersten Tour-Tagen fand der Auftritt der neun Milram-Profis und Kapitän Linus Gerdemann Gefallen in der Bremer Konzernzentrale. «Bei den ersten Etappen sind unsere Fahrer fünfmal unter die besten Zehn gefahren, Gerald Ciolek liegt im Kampf um das Grüne Trikot auf einem guten dritten Platz und in der Mannschaftswertung liegt das Team Milram im vorderen Drittel», stellte Claus Fischer, Direktor Vertrieb/Marketing der Nordmilch AG, zufrieden fest - allerdings nicht ohne weitere Wünsche zu formulieren.
Bei den nun anstehenden Bergetappen wünsche sich der Sponsor, der in Zeiten geringer Milchpreise jährlich geschätzte acht Millionen Euro hinblättert, eine «wahrnehmbare Präsenz des Teams» etwa «über das Mitfahren in Ausreißergruppen». Denn auch in diesem Jahr will der Milchfabrikant, dessen Vertreter bei der Tour bislang nur durch Abwesenheit glänzten, wieder einen Mediagegenwert des Sponsorings von rund 50 Millionen Euro erzielen. Dementsprechend sollte das blau-weiße Jersey im TV möglichst oft an der Spitze des Pelotons zu sehen sein. «Wir wollen auf jeden Fall in Gruppen dabei sein», verspricht Henn für die zweite Tour-Woche.
Im Vorjahr durfte der frühere Telekom-Profi zum vergleichbaren Zeitpunkt noch ambitioniertere Ziele ausgeben. Als Sportdirektor des Gerolsteiner-Teams erlebte Henn die Höhenflüge von Stefan Schumacher und Bernhard Kohl aus unmittelbarer Nähe. Diese entpuppten sich später aber als Produkt der Pharmazie, so dass die Bescheidenheit des Milram-Teams durchaus wohltuend in Doping-Zeiten wirkt.
Die Rolle des wenig beachteten Außenseiters könnte dem Team noch zum Vorteil gereichen. Vor allem Gerdemann, der 2007 mit einem Etappensieg für einen Tag ins Gelbe Trikot gefahren war, hat sich noch einiges vorgenommen. «Ich fühle mich besser als vor zwei Jahren, das ist sicher», sagte der letzte Deutschland-Tour-Sieger. Bislang war er oft an der Seite der Astana-Stars zu sehen, sein 19. Rang zum Auftakt in Monaco motivierte das Team zusätzlich. Einzig das deprimierende Mannschaftszeitfahren mit vier Stürzen und einem Zeitverlust von 2:48 Minuten trübte die Bilanz, doch Gerdemann sagte schon vor Andorra: «Ich bin glücklich über die erste Woche.»