Roubaix (dpa) - John Degenkolb geriet schon nach der ersten Inspektion des holprigen Kopfsteinpflasters wieder ins Schwärmen.
«Es war ein ganz besonderes Gefühl, zurück zu sein und auf das Velodrome zuzufahren», sagte der 30-Jährige aus Oberursel mit Blick auf die 117. Auflage des berühmt-berüchtigten Rad-Frühjahrsklassikers Paris-Roubaix am Sonntag (11.00 Uhr/Eurosport).
Staub, Matsch, Stürze, Dramen - die sogenannte «Hölle des Nordens» gilt zwar als härtestes Eintagesrennen der Welt, doch für Degenkolb ist es mehr als das: eine Liebe, ein «Mythos» oder einfach nur sein «Lieblingsrennen». 2015 gewann er die begehrte Pflasterstein-Trophäe, im vergangenen Jahr feierte der deutsche Klassiker-Spezialist vom Team Trek-Segafredo ausgerechnet in Roubaix seinen ersten Etappensieg bei der Tour de France.
«Ich denke, jeder weiß, dass ich dieses Rennen liebe. Es ist eines der härtesten Rennen und etwas ganz Besonderes, dass wir immer noch auf den gleichen Straßen wie vor 120 Jahren fahren», sagte Degenkolb, der sich in Top-Form fühlt.
Beim Klassiker-Auftakt Mailand-Sanremo wurde er noch von einem Defekt auf den letzten Kilometern ausgebremst, die Anstiege bei der Flandern-Rundfahrt am vergangenen Sonntag, als er 29. wurde, waren noch etwas zu schwer. Doch nun soll der nächste große Sieg beim Radsport-Monument in Nordfrankreich eingefahren werden. Degenkolb kann es kaum erwarten: «Gott sei dank gibt es keine Berge, nur Pflaster und Ballern, und dementsprechend freue ich mich darauf. Alles oder nichts!»
Auch wenn es eine Tortur über 257 Kilometer wird, darunter 29 Sektoren mit 54,5 Kilometern Kopfsteinpflaster: Degenkolbs Liebe zum qualvollen Rennen geht sehr weit. Er ist Botschafter des Vereins der Freunde von Paris-Roubaix und unterstützt somit auch die regelmäßige Pflege der sogenannten Pavé-Stücke. Und als das Nachwuchsrennen eingestellt werden sollte, entschloss sich der Wahl-Hesse kurzerhand, eine Crowdfunding-Initiave zu starten. 10 000 Euro kamen zusammen, wovon der gebürtige Thüringer selbst 2500 Euro beisteuerte - das Rennen für mögliche Radstars der Zukunft war gerettet.
«Die Fans haben super mitgemacht, das ging durch die Decke und wurde tausendfach geteilt - bis nach Russland, Griechenland und Kolumbien», erklärte Degenkolb im Interview bei «t-online.de». «Die Aktion hat dem Nachwuchsrennen eine breitere Aufmerksamkeit gebracht und ich hoffe, dass die Message bei vielen - auch Sponsoren - angekommen ist: Wir können und wir müssen da auch ab und an selbst was tun, um den Nachwuchs zu fördern und Rennen zu sichern.»
Mit den Feldwegen aus den Zeiten Napoleons, wie die gefürchtete Passage durch den Wald von Arenberg, hat sich auch Nils Politt angefreundet. Im Vorjahr war der Kölner vom Team Katusha-Alpecin starker Siebter in Roubaix. Bei der Flandern-Rundfahrt fuhr der 25-Jährige nun auf Platz fünf. Der junge Rheinländer macht sich aber keinen Druck, nun ganz vorne dabei zu sein. «Ich kann gelassen und mit Spaß in Roubaix reingehen. Dann werden wir sehen, was dabei rauskommt», sagte Politt.
Degenkolbs und Politts größte Konkurrenten um den Triumph im Ziel des altehrwürdigen Velodromes von Roubaix dürften die beiden Sieger aus den Vorjahren sein: der belgische Olympiasieger Greg Van Avermaet und Titelverteidiger Peter Sagan aus der Slowakei vom deutschen Bora-hansgrohe-Team. Ex-Radprofi Jens Voigt sieht aber die besten Chancen für Degenkolb: «Seine Form stimmt, die Mannschaft ist bereit. Er ist der deutsche Fahrer mit dem größten Potenzial», meinte der Eurosport-Experte.
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