San Remo (dpa) - Alessandro Petacchi bekam im Ziel vor lauter Glück einen Weinkrampf in den Armen seiner Frau Chiara. Danilo Hondo hatte sich mit Rang zwei Respekt verschafft, blieb aber trotzdem ganz cool und freute sich erst später ein wenig.
Die 96. Austragung des Klassiker-Auftakts Mailand - San Remo endete nach 294 km aus italienischer Sicht mit dem heiß ersehnten Heimsieg, aus deutscher Perspektive mit einer positiven Überraschung.
«Die Freude überwiegt eigentlich. Auch, weil ich es denen gezeigt habe, die meinten, der Hondo hat nur eine große Klappe. Aber ich ärgere mich trotzdem ein bisschen, nicht effektiver um den Sieg mitgefahren zu sein, wo ich doch so schön an Petacchis Hinterrad war», mäkelte der Profi aus dem Gerolsteiner-Team, der dem blonden Italiener im Massensprint auf der Via Roma um zwei Radlängen den Vortritt lassen musste.
Topfavorit Petacchi (31), in der siebenwöchigen Saison schon 12 Mal erfolgreich und jetzt neuer Spitzenreiter der ProTour-Wertung, feierte einen Premieren-Sieg mit Ansage. Zusammen mit dem dreifachen Weltmeister Oscar Freire aus Spanien, der im Vorjahr in San Remo nur gewonnen hatte, weil Zabel zu früh jubelte, hatte er in allen Prognosen weit vorne gelegen.
«Seit Jahresbeginn habe ich für diesen Sieg wie ein Verrückter trainiert», sagte Petacchi, der beim Giro d'Italia, Tour de France und Spanien-Rundfahrt zusammen schon 31 Etappen gewann. Bei der akribischen Vorbereitung auf seinen ersten Sieg in San Remo hatte er nichts außer Acht gelassen - auch die Personenwaage nicht. «Ich wiege drei Kilo weniger als im Vorjahr und habe nur am Oberkörper abgenommen», sagte der Supersprinter, der die letzten entscheidenden Steigungen vor dem Ziel ohne Schwierigkeiten meisterte.
Der langsam in die Jahre kommende Erik Zabel (Unna) stand nach vier Siegen und zwei zweiten Plätzen in den vergangenen acht Jahren diesmal bei seinem Lieblingsrennen nicht als Favorit am Start. Die Nachwirkungen seines Fersenbeinbruchs vom vergangenen Oktober und eine Erkältung setzten dem 34-jährigen Berliner so zu, dass er in dieser Saison noch keinen einzigen Sieg verbuchen konnte. Sein gesamtes Team wartet 2005 weiter auf den ersten Saison-Erfolg.
Trotzdem schien Zabel mit sich und seinem 14. Rang nicht unzufrieden - gemessen an den Vorgaben. «Ich habe mich viel besser als zuletzt bei Tirreno-Adriatico gefühlt. Die Kraft hat gereicht, um mit den Besten mitzuhalten und gegen diesen Petacchi war sowieso kein Kraut gewachsen», meinte der Vize-Weltmeister, dessen ehemaliger Team-Kollege und Helfer Hondo im Hinblick auf die kommenden Klassiker prophezeite: «Erik kommt noch.»