Malibu/Berlin (dpa) - «Nein» war in Malibu das meistgehörte Wort bei der 75-minütigen Landis-Aussage am sechsten Tag des Doping- Prozesses gegen den Tour-de-France-Gewinner.
Floyd Landis wurde zum ersten Mal vernommen und antwortete auf die Frage, ob er gedopt habe, mehrmals laut und deutlich mit «Nein». Der 31-Jährige könne sich seinen in vier Doping-Proben nachgewiesenen, erhöhten Testosteron-Wert nur «durch Produktion in meinem Organismus» erklären. Am Abend vor seiner sportlichen Wiederauferstehung mit einem sensationell anmutenden Solosieg in Morzine hätte er nach dem Abendessen Whisky getrunken, was den Wert auch erhöht haben könnte.
Nicht nur Wilhelm Schänzer, der Leiter des angesehenen Kölner Anti-Doping-Labors, der per Video-Konferenz am sechsten Verhandlungstag teilnahm, bestritt die Schilderungen von Landis: «Auch ich hätte nach Analyse seiner Proben entschieden: Er ist positiv auf synthetisches Testosteron». Das vom IOC anerkannte Anti- Doping-Institut in Chatenay-Malabry, dass die Tests nach der ominösen 17. Etappe analysiert hatte, kam zu dem gleichen Ergebnis. Das bestätigten auch nachträglich untersuchte Urin-Proben. Die Landis- Verteidigung wirft dem Labor bei Paris unkorrekte Arbeitsweisen vor und zog auch die wissenschaftliche Gültigkeit der Tests in Zweifel.
«Haben Sie Dopingprodukte in der Nacht vor der 17. Etappe genommen?», fragte Landis-Anwalt Howard Jacobs. «Haben Sie Testosteron während der Tour de France genommen?» Und: «Haben Sie Dopingprodukte genommen, während Sie bei Phonak waren?» Landis gab jedes Mal ein «Nein» zu Protokoll vor dem unabhängigen Schiedsgericht der American Arbitration Association (AAA). Der Angeklagte wurde wieder von seinen Eltern und seiner Frau Amber begleitet und wirkte bei seiner Aussage ruhig und konzentriert. Die einzige verbotene Substanz, die er während seiner Karriere genommen habe, sei Kortison gewesen, was durch ein Attest in seinem Gesundheitspass wegen eines Hüftleidens sanktioniert gewesen sei.
Interessant wurde es in der Pepperdine Universität, als das Thema Greg LeMond angesprochen wurde. Ein Freund und Geschäftspartner von Landis, Will Geoghegan, hatte den dreifachen Toursieger vor dessen Aussage zu erpressen versucht. Er drohte zu enthüllen, dass der dreifache Toursieger (1986, 1989, 90) als Kind sexuell missbraucht wurde, was LeMond Landis im August 2006 in einem vertraulichen Telefongespräch erzählt hatte. LeMond ließ sich nicht einschüchtern, stellte Strafanzeige und sagte aus, in diesem Telefongespräch habe Landis gesagt, er könne nicht die Wahrheit sagen, weil diese ihn zerstören würde.
Landis bestätigte den Anruf. Er habe darin aber gesagt, er habe nicht gedopt und könne daher LeMonds Aufforderung, reinen Tisch zu machen, nicht folgen. Bei dem Erpressungsanruf Geoghegans am Mittwochabend war Landis anwesend: «Ich saß am anderen Ende des Tisches, als Will telefoniert hat. Aber ich habe nichts verstanden». Später, als LeMond herausfand, von wessen Telefon der Anruf kam und zurückrief, habe er dann von dem Erpressungsversuch erfahren. «Ich habe mit Will gesprochen, er war sehr verstört und sagte, er habe was Dummes gemacht uns wüsste nicht, was er machen soll.» Die neuen Landis-Berater wussten es: Nachdem LeMond den Vorgang geschildert hatte, bekam Geoghegan noch im Gerichtssaal seine Papiere als «persönlicher Manager».
LeMond gab und gibt sich als engagierter Anti-Doping-Aktivist: «Ich riskiere als Hersteller von Fahrrad-Rahmen meine Existenz. Aber die Wahrheit muss ans Licht. Der Radsport hat keine Chance, als radikal umzukehren», hatte der erste amerikanische Toursieger erklärt. Seine alten Vorwürfe gegen den siebenfachen Tour-Gewinner Lance Armstrong zu wiederholen oder zu präzisieren, lehnte LeMond ab. Armstrong hatte seinem Landsmann mit Prozessen gedroht, falls er seine Doping-Anschuldigungen aufrechterhalte oder wiederhole.
Landis droht im Fall eines Schuldspruchs eine zweijährige Dopingsperre und die Aberkennung des Tour de France-Siegs durch die UCI. Das wäre ein Novum in der 104-jährigen Geschichte des berühmtesten Rennens der Welt. Gegen das Urteil des amerikanischen Schiedsgerichts können Landis und die amerikanische Anti-Doping- Agentur USADA sowie auch der Weltverband UCI und die Welt- Antidopingagentur WADA vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne in Berufung gehen.