Berlin/Paris (dpa) - Der fünffache Tour-de-France-Sieger Lance Armstrong lässt offen, ob er bei einem möglichen sechsten Sieg in Frankreich im kommenden Jahr seine Karriere beendet. «Das ist mein Geheimnis, wir werden sehen, was in Paris passiert», sagte der 32- jährige Texaner nach der Präsentation der neuen Tour-Strecke für 2004.
Sein hoch dotierter Vertrag beim US-Postal-Team, bei dem er nach seiner Krebserkrankung 1998 anheuerte, läuft Ende der kommenden Saison aus. Die taktischen Spielchen im Vorfeld seines Rekordversuches, als erster Fahrer die Tour de France sechs Mal zu gewinnen, haben offensichtlich schon begonnen.
Seinem auch in diesem Jahr härtesten Widersacher Jan Ullrich, den Armstrong in der Endabrechnung nur um 61 Sekunden bezwang, spendete er höchstes Lob: «Jan wird im nächsten Jahr super stark sein. Er wird das Maximum seiner Möglichkeiten ausschöpfen können, während ich nur noch die Hälfte abrufen kann.»
Im Rückblick auf die diesjährige Tour, bei der Armstrong der Erfolg «so schwer wie noch nie» gefallen ist, fällte er ein selbstkritisches Urteil: «Ich bin nicht mehr der Fahrer von vor drei Jahren,» Der Verlauf der Jubiläums-Tour zum 100. Geburtstag empfand Armstrong als «zu knapp, zu schwierig, zu stressig, zu emotional». Er habe die Aufgabe vor seinem fünften Erfolg unterschätzt. Das werde im nächsten Jahr nicht mehr passieren, prophezeite Armstrong, der sein Vorbereitungsprogram vordergründig aus familiären Gründen änderte.
Der als geheilt geltende Krebspatient wird entgegen sonstiger Gewohnheit im April und Mai in den USA bleiben, um möglichst oft mit seinen drei Kindern zusammen zu sein. Armstrong hat sich nach der Tour von seiner Frau getrennt. Im Februar und März wird er in Europa trainieren und einige Rennen fahren, aber auf seine üblichen Generalproben Dauphiné Libéré oder Tour de Suisse verzichten.
Sein mutmaßlich wieder größter Kontrahent Ullrich beginnt in den nächsten Tagen unter Aufsicht seiner Physiotherapeutin Birgit Krohme mit dem leichten Vorbereitungs-Programm. Mitte November will der 29- jährige Olympiasieger sein weiteres Trainingsprogramm mit seinem Betreuer Rudy Pevenage festlegen. Bei einem Gespräch mit dem Belgier wurden die groben Züge der neuen Zusammenarbeit - Pevenage erhält im Ullrich-Rennstall T-Mobile keine Festanstellung - festgelegt. Sein langjähriger Betreuer fühle sich noch zuständig für das im Mai gebildete Bianchi-Team, das ohne Zugpferd Ullrich 2004 allerdings wohl nicht mehr existieren wird.
Zu Details der neuen Kooperation unter erschwerten Bedingungen wollten sich Pevenage und Ullrich nicht äußern. «Ich habe einen Deal mit Jan, und dem vertraue ich.» Wer den 49-jährigen Belgier, der als Baumeister der Ullrich-Karriere gilt, bezahlt, und ob der mit Team- Manager Walter Godefroot zerstrittene Pevenage bei den Rennen in einem Begleitwagen sitzen kann, bleibt unklar. «Ich glaube Jan wird nicht mit einem Teil des Teams ins Trainingslager nach Südafrika reisen. Im Dezember beginnt er sein konzentriertes Programm wahrscheinlich in Italien oder Spanien», sagte Pevenage.
Neben Ullrich sieht Armstrong für 2004 den in diesem Jahr gestürzten Spanier Joseba Beloki, den diesjährigen Tour-Dritten Alexander Winokurow (Kasachstan) und den Italiener Ivan Basso als Hauptkonkurrenten für die 91. Tour, die am 3. Juli in Lüttich/Belgien mit einem 6-km-Prolog beginnt. Höhepunkt wird ein 15 km langes Bergzeitfahren nach L'Alpe d'Huez - vier Tage vor dem Tour-Finale - sein. Die Prestige-Etappe in den 1850 m hoch gelegenen Skiort in den Alpen gewann Armstrong 2001. Bei seinen bisher sechs Tour-Auftritten belegte Ullrich in Paris fünf Mal Platz zwei und gewann 1997.