Berlin (dpa) - Der Berg von 525 Profisiegen in 13 Jahren ist sein Radsport-Olymp. Der «Kannibale» Eddy Merckx wurde drei Mal Weltmeister, trug in Paris fünf Mal das Gelbe Trikot der Tour de France, gewann sieben Mal Mailand - San Remo in zehn Jahren, drei Mal Paris - Roubaix, fünf Mal den Giro d'Italia.
Die Liste ließe sich fast endlos fortführen. Der erste Eintrag in die Rekordbücher ist der Erfolg beim Circuit de Houtland am 27. Juni 1965. Am 19. Mai 1978 stieg Merckx, der inzwischen von monumentalen 130 auf rund 80 Kg abspeckte, beim Circuit de Pays de Waes für immer als Profi vom Rad.
Zum ersten Mal in seiner Karriere hatte er in diesem Jahr nicht ein einziges Mal gesiegt. «Ich war einer der Größten meiner Zeit - das war alles», sagte Merckx und blieb bei seinem kleinen Geburtstags-Rückblick bescheiden. Der Belgier, der seit 25 Jahren in einer Fabrik in Meise am Stadtrand Brüssels hochwertige Fahrrad-Rahmen fertigen lässt, feiert am 17. Juni seinen 60. Geburtstag.
Der Pélé des Radsports, dessen Statement etwa das gleiche Gewicht hat wie das Wort eines Präsidenten in der Politik, wirkt nach einer gut überstandenen Operation an der Speiseröhre, nach der er wochenlang nur flüssige Nahrung zu sich nehmen konnte, so rank und schlank wie lange nicht. Merckx macht bei immer noch regelmäßigen Ausfahrten auf dem Rad, manchmal auch an der Seite seines Freundes Lance Armstrong, eine blendende Figur.
In seiner Karriere war der Belgier aus Meensel-Kiezelgem ein Nimmersatt. «Er wollte immer alles gewinnen. Sein Ehrgeiz selbst bei kleinen Kriterien war unglaublich, egal ob es schneite oder die Sonne schien», erzählte sein früherer Rivale Walter Godefroot. Siege über den großen Kontrahenten bei Paris - Roubaix (1969), Lüttich - Bastogne - Lüttich (1967) und zwei belgischen Meisterschaften freuen den jetzigen T-Mobile-Manager noch heute ein wenig.
Merckx, dessen Sohn Axel - Bronzemedaillengewinner in Athen und einst auch beim Team Telekom - sowie Godefroot sind freundschaftlich verbunden. «Er war der ideale Athlet. Er hatte die besten physischen Voraussetzungen, eine hohe Intelligenz und unersättlichen Ehrgeiz», beschrieb ihn sein geringfügig älterer Landsmann Godefroot, der Merckx zuletzt vor ein paar Wochen traf. «Genau wie es keinen zweiten Pélé geben wird, gibt es keinen zweiten Eddy», meinte Godefroot.
Das Attribut «Bester Fahrer aller Zeiten» ist für Merckx allerdings mit Vorsicht zu genießen, obwohl an seiner Extra-Klasse auf allen Gebieten kein Zweifel besteht. Am 25. Oktober 1972 stellte er in Mexico-City mit 49,431 Kilometern einen Stunden-Weltrekord auf, der auch 33 Jahre später nur geringfügig verbessert ist. Der Engländer Chris Boardman fuhr am 27. Oktober 2000 in Manchester zehn Meter weiter - diese Bestmarke hat bis heute Bestand.
Der dreifache Weltsportler des Jahres (1969/71/74) machte allerdings auch Doping-Schlagzeilen: 1969 wurde er nach einer positiven Analyse vom Giro d'Italia disqualifiziert. Mit Wut im Bauch gewann er im Anschluss sein Tour-Debüt mit 18 Minuten Vorsprung vor dem Franzosen Roger Pingeon und holte neben dem Gelben auch das Grüne und das Berg-Trikot. Die genauen Umstände der Doping-Vorwürfe in Italien wurden nie restlos geklärt. Merckx behauptete, seine Trinkflasche sei von denjenigen manipuliert worden, die unbedingt einen einheimischen Sieger sehen wollten.