Bonn (dpa) - Jan Ullrich hat sich nach neun Monaten Trennung bei Telekom zurückgemeldet und wurde in der T-Mobile-Zentrale in Bonn-Beuel mit offenen Armen empfangen.
«Er ist wieder hier in seinem Revier. Das ist sein zweites Comeback des Jahres. Wir haben ein gemeinsames Ziel: Der Toursieg 2004 ist möglich, wenn alle Räder ineinander greifen», sagte René Obermann, der Vorsitzende der Geschäftsführung des Telekom-Tochter-Unternehmens, das sich ab 2004 bis mindestens 2006 im Profi-Radsport engagiert. «Ich habe jetzt das stärkste Team der Welt», meinte Ullrich. Er fühlt sich gewappnet, den fünffachen Seriensieger Lance Armstrong bei der Tour de France im kommenden Jahr im vierten Anlauf vom Thron zu stoßen.
Auch sonst darf der gebürtige Rostocker in eine gesicherte Zukunft blicken: Ullrich unterschrieb bei T-Mobile einen Drei-Jahres-Vertrag, der ihm insgesamt rund acht Millionen Euro einbringen dürfte. Darüber hinaus wurde dem 29-jährigen Olympiasieger nach seiner Karriere als Radprofi eine weitere Bindung an das Unternehmen als Repräsentant angeboten. «Wir sind daran interessiert, weil er eine hohe Glaubwürdigkeit über den Sport hinaus besitzt», erklärte Obermann, der aber nicht ins Detail ging.
Ullrich versprach, «nicht mehr mit meiner Zukunft zu spielen». Der Toursieg («Ich war oft genug Zweiter») und die Verteidigung der olympischen Goldmedaille in Athen sind die großen Saisonziele des Wahl-Schweizers, der für eine Woche nach Kasachstan zu seinem Freund und Team-Kollegen Alexander Winokurow fliegt, wo er ein Benefiz-Rennen für den verstorbenen Andrej Kiwilew bestreitet.
Entspannung deutet sich in der wichtigen Frage an, welche Rolle in Zukunft Ullrichs langjähriger Betreuer und Erfolgs-Garant Rudy Pevenage spielen soll. Der 49-jährige Belgier ist nach seinem abrupten Abgang von Telekom zum Jahreswechsel im Schlepptau des Toursiegers von 1997 mit Team-Manager Walter Godefroot verkracht. Doch der signalisierte am Montag in Bonn Friedenswille: «Wir sind erwachsene Leute und sollten persönliche Sachen an die Seite schieben. Das Wohl des Teams steht im Vordergrund.»
Der 60-jährige Godefroot könnte sich ganz auf die Team- Organisation im Hintergrund beschränken: «Es gibt eine Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen unserem sportlichen Leiter Mario Kummer und Pevenage. Es geht um Sport, und da ist der Ansprechpartner Kummer», sagte Godefroot, der sich in der Vorwoche mit Pevenage nach Monate langer Funkstille in Brüssel getroffen hatte: «Was dabei heraus kam, bleibt intern.»
Ullrich unterbreitete Pevenage «ein Angebot als persönlicher Berater, das im Detail noch ausgefeilt» werden müsse: «Wir finden eine Lösung.» Pevenage hat sich noch nicht entschieden: «Ich nehme mir noch etwas Zeit, zu überlegen. Jan ist eine Woche weg und da habe ich Zeit, alles zu bedenken.» Trotz der erbetenen Bedenkzeit und der komplizierten Rahmen-Bedingungen, unter denen der Flame in Zukunft wahrscheinlich arbeiten müsste, ist nicht daran zu zweifeln, dass er das Angebot seines Schützlings annehmen wird. Bei der Präsentation vor rund einhundert Journalisten und acht Kamera-Teams war Pevenage, in den vergangenen neun Jahren immer an der Seite Ullrichs, allerdings nicht dabei.
Ullrich kehrt zu seinen Wurzeln zurück. 1995 hatte er seinen ersten Vertrag bei Telekom unterschrieben und verbuchte unter dem schwarzen T 1997 mit dem ersten Tour-Sieg eines deutschen Rad-Profis seinen größten Erfolg. Nach seiner positiven Doping-Analyse kündigte das Bonner Unternehmen den Ullrich-Vertrag im Sommer 2002 und bot einen modifizierten Kontrakt an, den Ullrich ablehnte. Im Januar 2003 unterschrieb er beim finanziell auf zu schwachen Füßen stehenden Rennstall Coast einen vermeintlich hoch dotierten Vertrag. Das Essener Team musste Insolvenz anmelden, Bianchi sprang ein und rettete so die Starterlaubnis für die Tour. Dabei feierte Ullrich nach 14 Monaten Inaktivität wegen zwei Knie-Operationen und der Tabletten-Affäre ein sensationelles Comeback, das ihm alle Wege öffnete.