Lausanne (rad-net) - Mögliche Dopingsünder, die bei den Olympischen Spielen in Peking nicht erwischt wurden, sollen nach den Wünschen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) weiter zittern. Erst in einem Monat wolle man mit den am 8. Oktober angekündigten Nach-Tests von rund 1000 Dopingproben beginnen. «Wir werden wahrscheinlich nach Weihnachten beginnen und könnten die Ergebnisse dann Ende des ersten Quartals 2009 haben», kündigte Patrick Schamasch, Medizinischer Direktor des IOC, am Dienstag an.
Die eingefrorenen Proben sollen in Lausanne und Köln sowohl auf die EPO-Version CERA als auch auf Insulin (Hormon mit anaboler Wirkung) nachkontrolliert werden. Für beide verbotene Substanzen habe es bei den Sommerspielen in Peking noch kein zuverlässiges Testverfahren gegeben. «Wir wollen das intelligent machen», betonte Schamasch. «Wir werden allem auf den Grund gehen, was uns relevant und realistisch erscheint.» Fachleute hatten die groß angekündigte Nachuntersuchung des IOC allerdings mehrfach als reinen Aktionismus bezeichnet. Spätestens nach der erfolgreichen Kontrolle der französischen Anti-Doping-Agentur auf CERA während der Tour de France war unter Athleten die Möglichkeit eines solchen Testes ja bekannt. Entsprechend zweifelhaft dürfe der Sinn des Nachtestes sein.
Bei den Spielen in Peking gab es bei rund 5000 Dopingtests - darunter fast 1000 Blut-Analysen - sechs positive Fälle. Danach wurden noch drei weitere Athleten erwischt. Allerdings weist der offizielle Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA für die Doping-Kontrollen des IOC in Peking erhebliche Mängel auf. So sind von den in Peking vorgenommenen Proben offenbar rund 300 verschwunden - das entspricht einer Quote von sechs Prozent. Außerdem hatten von den 205 in Peking vertretenen Nationalmannschaften 102 ihre Meldepflicht für die Sportler nicht eingehalten, keinerlei der normalerweise zwingend erforderlichen «Whereabouts» abgegeben und damit unangemeldete Trainingskontrollen erschwert oder unmöglich gemacht.
Außerdem berichtet die WADA-Bilanz von insgesamt 140 auffällige Blutproben, die eine Nachuntersuchung und Zielkontrolle notwendig gemacht hätten, aber als «unauffällig» und «negativ» deklariert worden waren. Unter anderem war bei 100 von ihnen der Quotient von Testosteron und Epitestosteron höher als vier, was auf Manipulationen hinweist. Auch eine hatte das Labor in China, für das trotz entsprechender Abmachungen keine Beobachter zugelassen waren, eine positive «Blindprobe» nicht als positiv erkannt.
Für die Nachkontrollen sollen die A-Proben herangezogen werden, weil bei der Öffnung von B-Proben grundsätzlich der Athlet oder sein gesetzlicher Vertreter anwesend sein muss. Damit verhindert das IOC nach Ansicht von Experten, eine zukünftige Kontrolle auf Dopingmittel, von deren Nachweisbarkeit während der Olympischen Spiele noch kein Athlet wusste. Eine erfolgreiche Kontrolle mit Überraschungseffekt, wie sie im Radsport bei der Tour de France unter anderem Bernhard Kohl und Stefan Schumacher zum Verhängnis wurde, dürften damit ausgeschlossen werden.