Stuttgart (dpa) - Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer sieht nach den jüngsten Doping-Enthüllungen für den deutschen Radsport schwarz und für sich selbst keine Zukunft mehr im Profibereich.
«Ich kapituliere vor dieser kriminellen Energie. Ich bin gescheitert», sagte Holczer der Deutschen Presse-Agentur dpa, nachdem mit Bernhard Kohl innerhalb einer Woche der zweite Gerolsteiner-Fahrer nach Stefan Schumacher in der A-Probe positiv getestet worden war. Wie bei Schumacher wurde auch bei dem österreichischen Tour-de- France-Dritten Kohl in der A-Probe das EPO-Präparat CERA nachgewiesen.
«Der Radsport in Deutschland hat keine Chance», hatte Holczer in einem emotionalen Streitgespräch mit dem geständigen Doping-Sünder Patrik Sinkewitz in der SWR-Fernsehsendung «Sport im Dritten» gesagt. Er selbst sei mit seiner «offenen Haltung gescheitert, an Stefan Schumacher gescheitert», erklärte der Rennstall-Inhaber. Dem zweimaligen Tour-de-France-Etappensieger Schumacher war bereits am vergangenen Montag nachträglich in zwei A- Proben Doping mit CERA nachgewiesen worden. Schumacher indes bestreitet Doping. Holczer betonte zwar, er wolle noch die B-Proben abwarten, meinte aber: «Ich habe die kriminelle Energie unterschätzt.»
In der heftigen Diskussion mit Sinkewitz warf Holczer dem Vater des früheren Radprofis Erpressung und Nötigung vor. Vor laufenden Kameras zitierte der Gerolsteiner-Teamchef aus einem angeblichen Drohbrief vom 17. September. «Sollte mein Sohn wegen irgendwelcher fadenscheiniger Argumente bis Ende 2008 keinen neuen Vertrag bekommen, werde ich Ihnen Ihren Heiligenschein nehmen», heißt es in dem Schreiben. «Ich werde eine Lawine lostreten, bei der ich nichts behaupten werde, was ich nicht beweisen kann. Wer alles auf der Strecke bleibt, ist im Voraus nicht zu sagen. Sicher ist, Sie wären dabei», hat Sinkewitz' Vater laut Holczer gedroht.
Dagegen warf Sinkewitz' Vater Joachim dem Gerolsteiner-Teamchef «Doppelzüngigkeit» vor. «Herr Holczer ist Vizepräsident des MPCC (Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport - Anm. d. Red.). In dieser Funktion hat er während der Tour de France mehrmals bestätigt, dass Dopingsünder zwei Jahre lang nicht mehr fahren dürfen - meinen Sohn und Jörg Jaksche ausgeschlossen wegen der Kronzeugenregelung», sagte Joachim Sinkewitz der Tageszeitung «Die Welt».
In der Öffentlichkeit jedoch habe Holczer geäußert, Sinkewitz und Jaksche hätten im Radsport nichts mehr verloren. «Ich habe mich daraufhin an ihn gewandt und ihm gesagt, wenn er diese Doppelzüngigkeit nicht unterlässt, werde ich es öffentlich machen und ihm den Heiligenschein nehmen.»
Ex-T-Mobile-Fahrer Sinkewitz, der des Testosteron-Dopings überführt wurde und sich den Behörden als Kronzeuge zur Verfügung stellte, blieb bei seiner Suche nach einem neuen Arbeitgeber bislang erfolglos. Er hatte Holczer schon in der Vergangenheit mehrfach attackiert. Der 27-Jährige warf dem Rennstall-Chef jüngst «Betriebsblindheit» vor, nachdem Stefan Schumacher unter Doping- Verdacht geraten war.
In der TV-Sendung wiederholte Sinkewitz den Vorwurf, Holczer sei nicht glaubwürdig. Im Kampf um Erfolge und einen neuen Hauptsponsor nach dem Ausstieg von Gerolsteiner zum Ende dieser Saison habe der Herrenberger Doping seiner Fahrer in Kauf genommen. «Mit sympathischen Hinterherfahrern kriegt man nichts», meinte Sinkewitz.
Der sichtlich verärgerte Holczer hingegen beschuldigte Sinkewitz, «jahrelang beschissen» zu haben. «Einfachheit, Plattheit, Parolen», kritisierte Holczer die Aussagen des Hessen in dem Streitgespräch. Sinkewitz aber meinte: «Ich habe dem Radsport gut getan. Ich habe meine Strafe bekommen, ich habe Aufklärung gemacht.» Holczers Vorwürfe konterte Sinkewitz mit den Worten: «Sie haben versucht, mich zu denunzieren, aber das ist Ihnen nicht gelungen.»