Peking (dpa) - Der Weg zu den ersten Olympia-Medaillen im Radsport
führt am Samstag an der Chinesischen Mauer nur über die neue Sport-
Großmacht Spanien. Alejandro Valverde, der Sieger der Olympia-
Generalprobe in San Sébastian, und Oscar Freire, Gewinner des Grünen
Trikots bei der Tour de France, gelten im Straßenrennen über 245
Kilometer als Topfavoriten. In der Hinterhand haben die Spanier in
der ersten von 18 olympischen Rad-Disziplinen keinen geringeren als den Tour-verhinderten Giro-Gewinner Alberto Contador und den
aktuellen Paris-Triumphator Carlos Sastre.
An dieser Phalanx werden sich vor allem der Italiener Paolo
Bettini, Olympiasieger von Athen und Weltmeister von Stuttgart, und
der Tour-Überflieger Stefan Schumacher orientieren müssen. «Das Klima
ist extrem. Ich hoffe, dass es nicht gar so schlimm wird. Aber in
meinen schlimmsten Albträumen hatte ich es so befürchtet», sagte der
zweifache Tour-Etappengewinner Schumacher schon nach der ersten
Trainingseinheit.
«Das ist ein extrem selektiver Kurs für ein Tagesrennen. Mir liegt
die Strecke», meinte er zu der Herausforderung am Samstag.
Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer, der in China zur
Sportlichen Leitung der deutschen Mannschaft gehört, fällte ein
hartes Urteil: «Die Strecke ist hinterhältig schwer.»
Für Schumacher wäre «eine Olympia-Medaille ein Traum». Wenn seine
Tour-Form hält, dürfte das fast eine Formsache sein. Vielleicht
schlägt die Stunde des 27-jährige aus Nürtingen aber nicht am
Samstag, sondern erst am kommenden Mittwoch im 47 Kilometer langen
Zeitfahren. Schließlich bringt der Schwabe auch dort beste
Empfehlungen mit: Bei der Tour gewann er beide Zeitfahren und stellte
die Spezialisten Fabian Cancellara (Schweiz), David Millar
(Schottland) und Cadel Evans (Australien) in den Schatten.
Gold für Jan Ullrich und Bronze für Andreas Klöden: Das
«Traumergebnis» von Sydney - je nachdem, wie es im Lichte der
späteren Doping-Enthüllungen heute zu bewerten sein mag - wird sich
für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) wohl in keinem Fall
wiederholen. Aber das Zeug für einen glänzenden Olympia-Start haben
Schumacher und seine vier Mitstreiter Fabian Wegmann, Gerald Ciolek,
Bert Grabsch und Jens Voigt allemal.
Erfolg gehört für Schumacher, der in Peking besonders von seinem
ebenfalls mit Medaillen-Chancen fahrenden Team-Kollegen Wegmann
unterstützt wird, inzwischen genauso zur Routine wie Doping-
Kontrollen als zusätzliche Marathon-Disziplin. Bei der Tour zählte
der Profi aus dem Gerolsteiner-Team zu den am meisten getesteten
Fahrern. Schumachers Vergangenheit - dubiose Tabletten-Affäre 2005,
auffällige Blutwerte kurz vor der Stuttgarter WM und Amphetamin im
Blut nach einem Auto-Unfall unter Alkohol-Einfluss - machte die
Verantwortlichen womöglich stutzig. Gefunden wurde bisher nichts. Das
fünfköpfige BDR-Team wurde in Peking bereits vor dem ersten Training
zum Test gebeten.
Einen Tag nach Schumacher und Co. sind die Frauen auf der Straße
über 126,3 Kilometer an der Reihe. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR)
setzt seine Hoffnungen in erster Linie auf zwei Fahrerinnen: Die Ex-
Weltmeisterin Judith Arndt, die in Athen Silber holte und sich dabei
nicht verkneifen konnte, bei der Zieldurchfahrt mit einer obszönen
Geste erhebliche Verwirrung zu stiften, und Hanka Kupfernagel.
Für Bundestrainer Jochen Dornbusch liegt die Konzentration zunächst auf Arndt: „Arndt ist unserere größte Hoffnung, aber wenn wir merken, dass sie zu sehr unter Beobachtung steht, müssen wir vielleicht eine andere Karte ziehen“, so Dornbusch. Das wäre dann vielleicht die Stunde für Trixi Worrack, die auch 2004 schon bei den Olympischen Spielen war und damals Platz 25 belegte.
Für die im Schwarzwald lebende Thüringerin trifft ähnliches wie
auf Schumacher zu: Größere Chancen als in der «Lotterie»
Straßenrennen hat Kupfernagel vielleicht im Zeitfahren über 23,5
Kilometer, nicht nur weil sie Weltmeisterin in dieser Disziplin ist.