Carcassonne (dpa) - Auf Titelseiten ist Paul Martens kaum zu finden, auch Fans reißen sich eher um Autogramme von Stars wie Kittel, Greipel, Degenkolb oder Martin. Der gebürtige Rostocker ist etabliert im Peloton, aktuell fährt er seine vierte Tour de France.
In der deutschen Wahrnehmung fliegt der Radprofi aber unter dem Radar. «Und darüber bin ich froh», sagte der 34-Jährige am Dienstag vor dem Etappenstart in Carcassonne der Deutschen Presse-Agentur. «Für viele Journalisten bin ich ohnehin Belgier oder Holländer», flachste er.
Während der Routinier vor dem Bus seines Teams LottoNL-Jumbo sprach, jubelten auf der anderen Straßenseite Fans auf, als die Tour-Favoriten Geraint Thomas und Tom Dumoulin vorbeifuhren. Dabei sind es gerade Fahrertypen wie Martens, ohne die kein Gelbes Trikot zu gewinnen ist. Die Anwärter auf das Gesamtklassement brauchen Helfer in den Bergen und auf nervösen Etappen im Flachen, die Trinkflaschen bringen und ihre Kapitäne aus gefährlichen Scharmützeln heraushalten.
«Das ist das Manko, dass man eigentlich nur diejenigen im Fokus hat, die Etappensiege holen und andere viel zu kurz kommen», meinte John Degenkolb, der Gewinner der Roubaix-Etappe. «Auf der anderen Seite ist es auch der Mythos vom Radsport. Man kann sich nicht viel dafür kaufen, aber es ist eine Auszeichnung, bei der Tour dabei zu sein.»
Martens ist glücklich mit seiner Rolle im niederländischen Rennstall LottoNL-Jumbo um die überraschend starken Primoz Roglic und Steven Kruijskwijk. Dass er im Gegensatz zu dem Duo oder anderen deutschen Fahrern wie dem letztjährigen Sprintkönig Marcel Kittel, Zeitfahr-Ass Tony Martin oder Klassiker-Spezialist Degenkolb nicht im Fokus ist, gefällt ihm. «Ich würde nicht tauschen wollen», sagte der Familienvater mit dem Dreitagebart. Pressetermine, Interviews, PR-Events - «ich mag das überhaupt nicht», machte er deutlich.
Deshalb ist er natürlich weniger bekannt als möglich und verdient deutlich bescheidener als die Szenestars, aber damit hat er sich abgefunden. Der Sieg bei der Tour de Luxembourg 2013 und beim Münsterland-Giro 2006 waren seine persönlich größten Erfolge.
Martens wohnt er mit seiner Familie seit Jahren in Lanaken in Belgien und fährt seine ganze Profi-Karriere schon in den Niederlanden. Weil ihn Jan Ullrichs T-Mobile-Team als 22-Jährigen nach einer Testphase nicht wollte, heuerte er 2006 bei Skil-Shimano an. Zwei Jahre später stieg er mit seinem Wechsel zu Rabobank in die erste Rad-Liga auf. Der Equipe, die nach dem Rückzug des Sponsors zwischendurch in Belkin umbenannt wurde und heute LottoNL-Jumbo heißt, blieb Martens treu.
Die aktuelle Frankreich-Rundfahrt bezeichnete der Routinier als «Karriere-Highlight», nachdem Teamkollege Dylan Groenewegen in der ersten Woche zu zwei Etappensiegen gesprintet war. Martens ist ein Kandidat für Ausreißergruppen, hielt sich bislang aber zurück. Nach den guten Leistungen von Roglic und Kruijskwijk in den Alpen standen die Platzierungen der beiden absolut im Vordergrund. Der Deutsche hat noch einen Vertrag für die kommende Saison. «Dann werde ich 36 Jahre alt», erinnerte er. Offen ist noch, ob er dann weiterfährt - und wenn ja, dann bestimmt weiterhin gern unter dem Radar.