Palermo (dpa) - Schon vor dem Start in Palermo ist der 91. Giro d'Italia ein Spektakel. Die Einladungspolitik der Organisatoren gleicht einer Posse, die Aussicht auf ein sauberes Rennen könnte ein frommer Wunsch bleiben.
Zumal der mit vier Zeitfahren und fünf Renntagen im Hochgebirge gespickte Kurs von einer Härte ist, die vergessen lässt, dass vor kurzem noch der enge Zusammenhang zwischen Extrembelastung und Doping diskutiert wurde. Der Giro setzt auf Blut, Schweiß und Vergessen.
Das Team Astana, wegen der Dopingexzesse der vergangenen Saison zum Jahresanfang noch wie ein Paria von sich problembewusst gebenden Renn-Organisatoren - auch der Italiener - gemieden, darf jetzt als Führungskraft im Peleton die Pace bestimmen. Mit Toursieger Alberto Contador, der gerade die Baskenland-Rundfahrt beherrschte und dem frisch gebackenen Romandie-Sieger Andreas Klöden verfügt das nun in Luxemburg angesiedelte Team über die wohl gegenwärtig stärksten Fahrer.
Giro-Direktor Angelo Zomegnan betont denn auch: «Astana einzuladen war eine rein sportliche Entscheidung. Im Januar hatten sie ein Team präsentiert, dessen Zusammenstellung nicht der Bedeutung des Giro entsprochen hatte. Jetzt hat die Leitung uns den Start von Contador, Leipheimer, Klöden und Wladimir Gusew zugesichert.» Konkurrenzdruck durch die Vuelta hätte er nicht verspürt, sagt Zomegnan: «Wir sollten nicht den Wert einer Rundfahrt gegen den einer anderen ausspielen».
Vuelta-Chef Victor Cordero hatte vorher getönt, dass sein Rennen im September mit der Beteiligung des kompletten Podiums der letzten Tour de France «das sportlich interessanteste dieser Saison» sein würde. Nun hat Giro-Organisator RCS, zu ihm gehören u.a. das rosa Fachblatt «Gazzetta dello Sport» sowie die Tageszeitung «Corriere dello Sport», die Qualitätshoheit also nach Italien geholt.
Doch der Preis scheint hoch: Tour-Triumphator Contador hat immer noch nicht sein Verhältnis mit dem Madrider Dopingarzt Fuentes erklären können. Klöden blieb bislang jede Auskunft schuldig über sein Wissen und sein Tun im Systemdoping der Freiburger Mediziner und jenem Exzess-Doping, durch das die letztjährige Ausgabe des Astana-Rennstalls aufgefallen war. Dass an «Teflon-Johan» Bruyneel, dem Astana-Teamchef, bislang jeder Dopingverdacht aus der Armstrong- und Contador-Ära nicht haften blieb, spricht für die Professionalität und Kaltblütigkeit des Belgiers.
Aber auch die anderen Giro-Teilnehmer sind keine Klosterbrüder. Titelverteidiger Danilo Di Luca hat sich mittlerweile auf der Bühne der Dopingprozesse eine ähnliche Härte wie auf dem Asphalt zugelegt. Wegen Zusammenarbeit mit dem bereits verurteilten Dopingarzt Carlo Santuccione war er zu drei Monaten Sperre verurteilt worden, die der Sportgerichtshof CAS Anfang Mai bestätigte. Di Luca hat die Sperre bereits abgesessen. Abgewendet haben seine Anwälte bislang eine 2- Jahres-Sperre für Manipulationen beim letzten Giro.
Der Dopingankläger des italienischen Olympischen Komitees CONI, Ettore Torri, ist überzeugt, dass Di Luca sich nach der Bergetappe am Zoncolan 2007 eine Transfusion verpassen ließ. «Anders sind die extrem veränderten Hormonwerte nicht zu erklären», sagt Torri. Pikant ist, dass Di Luca zu einem Zeitpunkt, als die Pro-Tour-Teams noch mit Ehrenerklärungen den Teufel Doping austreiben wollten, zum zweitklassigen Rennstall LPR gewechselt ist. Dort hat er weniger Aufmerksamkeit bei Trainingskontrollen zu befürchten.
Zwischen zwei und acht Mal sind nach Auskunft der UCI die Giro- Fahrer in diesem Jahr bislang kontrolliert worden. Hoffnungen immerhin könnte in das neue Blutpass-Programm der UCI gesetzt werden. «Zum 1. Juli soll es in Kraft sein. Bereits am 1. Mai ist es teilweise umgesetzt. Das ist doch gut», schwärmt Zomegnan. Seine Begründung, warum Astana in Italien fahren darf, in Frankreich aber ausgeschlossen ist, macht sprachlos: «Die Dopingfälle von Astana haben sich vor allem in Frankreich ereignet. Sie haben das Bild der Tour beschädigt».