Venedig (dpa) - Dem Radsport steht das Wasser wegen nicht endender Doping-Affären bis zum Hals - aber in Venedig sollte davon nichts zu spüren sein.
Lance Armstrong war zugeschaltet, Ex-Doping-Sünder Ivan Basso natürlich persönlich vor Ort und das Designerpaar Dolce & Gabbana präsentierte das Rosa Trikot zum 100. Geburtstag des Giro d'Italia. Die Präsentation des zweitwichtigsten Radrennens der Welt geriet im alt ehrwürdigen Fenice-Theater zur großen Show. Das kommende Ereignis, das am 9. Mai 2009 mit einem Team-Zeitfahren am Lido von Venedig beginnt und am 31. Mai nach 3395,6 Kilometer erstmals in Rom - und nicht in Mailand - endet, wurde mit Hingabe und Vorfreude gefeiert.
Der Jubiläums-Giro sei mit «Herz und Leidenschaft» organisiert worden, sagte Rundfahrt-Chef Angelo Zomegnan, der die erste Teilnahme des umstrittenen Rückkehrers Armstrong als Trumpfkarte spielt. Gegen dessen Teilnahme hatte sich im Vorfeld nicht nur Linus Gerdemann getraut, vorsichtige Kritik anzumelden. Die große Milram-Hoffnung wurde dafür öffentlich vom neuen Armstrong-Team-Kollegen Andreas Klöden zurechtgewiesen. Andere mahnende Stimmen, ob ausgerechnet Armstrong der Glaubwürdigkeit der Branche guttut, wurden am Samstag geflissentlich überhört. Der kommende Giro bietet «das beste des Weltradsports» stellte Veranstalter RSC, in ständiger Konkurrenz zur Tour de France besonders gefordert, in seiner Haus-Zeitung «Gazzetta dello Sport» fest.
Die Teilnehmerliste, die erst Ende Januar mit allen 22 Mannschaften komplett sein wird, hört sich imposant an: Neben dem Premieren-Start Armstrongs und der Rückkehr des Lokalhelden Basso nach Abbüßung seiner Doping-Strafe, steht auch der Auftritt des Toursiegers Carlos Sastre auf dem Programm. Titelverteidiger Alberto Contador verzichtet dagegen auf den Giro und konzentriert sich auf die am 4. Juli in Monaco beginnende Tour, bei der er mit seinem neuen Team-Kollegen Armstrong womöglich den größten Konkurrenten direkt an seiner Seite haben wird. Vor lauter Eifer wurde auch der Start des Tour-Zweiten Cadel Evans angekündigt. Der Australier wusste davon allerdings nichts und dementierte.
Der Geburtstags-Giro, der Abstecher nach Österreich sowie in die Schweiz unternimmt und mit einem 15,3 Kilometer langen Zeitfahren am Forum Romanum endet, scheint auf Armstrong zugeschnitten zu sein. Die Entscheidung könnte am 12. Tag beim 61,7 Kilometer langen Kampf gegen die Uhr - einer Spezialität des Texaners - in Riomaggiore fallen. «An so ein langes Zeitfahren kann ich mich in meiner Profi-Karriere nicht erinnern», sagte der siebenfache Toursieger Armstrong (37), der in einer Live-Schaltung mit einem Schmunzeln seinen alten Tour- Kontrahenten Basso zum Nonplusultra des 92. Giro stempelte: «Er ist mein Favorit.»
«Ich freue mich auf eine aufregende erste Woche, in der es gleich in der vierten und fünften Etappe in die Alpen geht. In der zweiten Woche gibt es dann als Highlight das fast 62 Kilometer lange Zeitfahren. Das wird ein entscheidender Tag werden. Auch die letzte Woche hat es in sich, mit der Etappe am Vesuv und einer kurzen Bergetappe. Dann natürlich das große Finale in Rom, dieser magischen Stadt, in die ich mich letztes Jahr verliebt habe», ließ sich Armstrong, entspannt auf einer weißen Couch sitzend, vernehmen.
Einen guten Monat nach seinem Giro-Abenteuer will der Texaner, dem die «L'Équipe» 2005 nachträglich in Proben von 1999 den Gebrauch des Blutdoping-Mittels EPO nachgewiesen hatte, in Frankreich nach seinem achten Gelben Trikot greifen.