Hamburg (dpa) - Dopingsünder oder zu Unrecht verfolgtes Sportidol - Jan Ullrich bleibt auch nach seinem Rücktritt von der aktiven Radsport-Karriere ein umstrittener Fall.
Während Weggefährten wie sein früherer Trainer Peter Becker oder sein Manager Wolfgang Strohband ihm die Treue halten, musste Ullrich sich von Funktionären zum Teil harte Kritik an seinem Auftritt in Hamburg gefallen lassen. «Mit der Erklärung von heute hat er wohl auch die letzte Chance verpasst, für Aufklärung zu sorgen», sagte Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Ähnlich äußerte sich Rudolf Scharping, der vom Ex-Profi besonders heftig attackiert worden war. «Auch heute hat Jan Ullrich nichts zur Aufklärung beigetragen», sagte der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer. Scharping wählte in seiner Erklärung allerdings nicht - wie Ullrich - die polemische Ebene, sondern verknüpfte seine Kritik am Umgang mit den Dopingvorwürfen mit Anerkennung für die Leistungen des Tour-de-France-Siegers von 1997. «Ein großes Talent, so große Möglichkeiten und Erfolge - das alles könnte ohne Schatten strahlen, wären da nicht mindestens das letzte Jahr, die schwerwiegenden Indizien und eine verwirrende Verzögerungstaktik», sagte Scharping.
Erwartet kritisch äußerte sich der Molekularbiologie und Anti-Doping-Kämpfer Werner Franke, der ebenfalls im Mittelpunkt von Ullrichs Rundumschlag stand. «Man konnte kein anderes Verhalten von Jan Ullrich erwarten wie jenes, das er heute bei seinem Auftritt gezeigt hat. Das ist Schadensbegrenzung», sagte er. Zugleich kündigte Franke eine Fortsetzung seines juristischen Kampfes gegen das Doping-Netzwerk des spanischen Arztes Eufemiano Fuentes an: «Auch ich werde im Zivilstreit weitergehen. Allein die Unterlagen der Guardia Civil in Spanien und die Ergebnisse der Hausdurchsuchungen bei Fuentes beweisen, dass da ein total kriminelles System dahinter steckt.»
Unterstützung bekam Ullrich vor allem von seinen Weggefährten, die sich trotz der Doping-Vorwürfe eine Fortsetzung der Karriere gewünscht hätten. «Ich hätte es sehr gut gefunden, wenn er weiterfährt», sagte sein früherer Trainer Peter Becker. «Man muss es akzeptieren, auch wenn es schwerfällt.» Manager Strohband, der weiter mit Ullrich zusammenarbeiten wird, sagte: «Ich hätte ihn auch lieber weiter auf dem Rennrad gesehen.» Alle Versuche, Ullrich vom Rücktritt abzubringen, seien aber umsonst gewesen. «Ich war am Anfang gegen die Entscheidung, habe aber eingesehen, dass es keinen Sinn macht.»
Ullrichs künftiger Arbeitgeber, der österreichische Volksbank-Rennstall, sieht ebenfalls keine Probleme wegen der ungeklärten Doping-Vorwürfe. «Ein Risiko ist es nicht», sagte Teamchef Thomas Kofler zu der kurzfristigen Verpflichtung als Berater und Repräsentant. «Wir hoffen auf eine erfolgreiche Zukunft mit Jan und stehen hinter der Entscheidung. Ich kann mir nach dem heutigen Stand der Dinge nicht vorstellen, dass noch etwas kommt», sagte er.