Bordeaux (dpa) - Floyd Landis wandelt heimlich auf Armstrongs Spuren. Während T-Mobile mit Sergej Gontschar das Gelbe Trikot holte und in Rogers, Sinkewitz sowie Klöden weitere drei Fahrer unter den besten Sechs des Gesamtklassements stellt, ist der ehemalige Helfer des Tour-Rekord-Siegers der Beste vom Rest.
Allerdings fährt Landis mit einem großen Handicap, über das er am Tour-Ruhetag in Bordeaux zum ersten Mal sprach. Im Januar 2003 verletzte er sich bei einem Sturz die Hüfte. Über ein Jahr danach wurde eine Knochenzersetzung diagnostiziert. Nach der Saison soll der US-Profi mit dem merkwürdigen Zeitfahr-Stil operiert werden und vielleicht sogar ein künstliches Gelenk erhalten, gab er bekannt.
Der Amerikaner hat als Zweiter derzeit nur eine Minute Rückstand auf Gontschar und galt bis zu seiner Beichte als Favorit Nummer eins auf den Gesamtsieg der 93. Tour de France. Der 36-jährige Ukrainer in Bonner Diensten darf sich ohnehin vermutlich nur als Spitzenreiter auf Zeit fühlen. Inwieweit die Story über sein Leiden auch zu einer perfiden Pokerparty gehören könnte, wird man spätestens auf der ersten Pyrenäen-Bergetappe am Mittwoch merken. «Wer im Zeitfahren trotz eines Schadens am Rad noch Zweiter wird, kann eigentlich keine gravierenden Probleme haben», meinte T-Mobile-Sportdirektor Mario Kummer.
«Nein, die Präsenz der vielen T-Mobile-Fahrer neben mir im Gesamtklassement stresst mich nicht», hatte der ehemalige Mountainbiker vor dem Ruhetag erklärt. In diesem Jahr unterstrich Landis seine Siegambitionen bei der Frankreich-Rundfahrt schon im Frühjahr, als er die Kalifornien-Rundfahrt, die Tour of Georgia und Paris-Nizza gewann. Beim ersten von zwei Einzelzeitfahren der Tour in Rennes wurde der Neunte des Vorjahres Zweiter und gehörte zu den wenigen Favoriten, die der Erwartungshaltung gerecht wurden.
«Ich bin sehr zufrieden. Auch wenn ich weiß, dass noch ein ganzes Stück zu fahren ist. Ich habe nicht die schlechteste Zeit, aber die ersten Bergetappen werden uns einen besseren Eindruck geben», meinte der 30-Jährige nach dem Kampf gegen die Uhr. Im Zeitfahren distanzierte er insbesondere die US-Konkurrenz und seine ehemaligen Team-Gefährten Levi Leipheimer (Gerolsteiner) und George Hincapie (Discovery Channel).
Von 2002 bis 2004 war der Mann mit den roten Haaren beim Tour-Rekordsieger Armstrong in der Lehre. Doch schon bald hatte Landis genug von Armstrongs Diktatur. Er fühlte sich eingeengt, wollte fortan auf eigene Rechnung fahren und wechselte zum Schweizer Phonak- Team. Dass die Mannschaft von Team-Manager John Lelangue immer wieder mit Doping in Zusammenhang gebracht wurde, schien Landis nicht zu stören. Erst vor kurzem hatte Phonak im Zuge des spanischen Dopingskandals die Fahrer Santiago Botero und José Gutierrez suspendiert - rechtzeitig vor der Tour.
Landis hatte zu Beginn einige Mühe, mit der Kapitänsrolle umzugehen. Ihm fehlten taktisches Gespür und Führungsqualitäten. Mit unglaublichem Einsatz und starkem Willen macht Landis dies nun wett. Vor dem Zeitfahren in Rennes saß er schon ab 7.30 Uhr auf dem Fahrrad: «Bei uns in der Familie sind alle Frühaufsteher.» Schon als Kind biss er sich früh gegen den Willen seiner streng religiösen Eltern durch: Als Jugendlicher in Farmersville drehte er seine Trainingsrunden durch Pennsylvania heimlich in der Nacht.
Auch Landis Chef Lelangue, früher Mitglied der Chefetage der Tour- Organisation, sah die Leistung seines Kapitäns beim Zeitfahren mit großer Freude: «Wenn man die Zeiten der anderen Favoriten betrachtet, dann haben wir schon einen Punkt gesetzt. Aber das ist nur eine Momentaufnahme und hat noch nichts zu heißen. Trotzdem bleiben wir bei dem, was wir seit Januar sagen: Wir wollen die Tour de France gewinnen.»