Gandia (dpa) - Im neuen Jan Ullrich-Team Coast rumort es. Nachdem vier ehemalige Coast-Profis angeblich fällige Zahlungen gerichtlich durchsetzen wollten, drohten auch aktuelle Fahrer im Coast-Trainingslager in Gandia mit den selben Schritten.
«Das betrifft alle ausländischen Fahrer bei uns. Jetzt geht es wohl vor Gericht. Mir hängt die Sache total zum Hals heraus», schimpfte der zweifache Vuelta-Gewinner Alex Zülle (Schweiz), der erst nach langen Vertrags-Verhandlungen einen Kontrakt für 2003 unterschrieben hatte.
Nach Informationen der spanischen Sportzeitung «AS» forderten alle sieben spanischen Coast-Fahrer 16 Prozent ihres Gehaltes von 2002, die als Steuerabgabe von der Teamleitung zurückgehalten worden seien. In ihrem Heimatland hätten sie ein weiteres Mal Einkommenssteuer entrichten müssen, seien also doppelt besteuert worden. «Die Fahrer wussten doch alle, dass wir die 16 Prozent Mehrwertsteuern einbehalten müssen. Das sieht ein Gesetz vom 1. Januar 2002 vor. Ich verstehe nicht, was da jetzt läuft», sagte Wolfram Lindner, einer der sechs Coast-Teamleiter in der Essener Team-Zentrale auf dpa-Anfrage.
Das Profi-Team aus dem Ruhrpott, das auf einer spektakulären Präsentation den Neueinkauf Jan Ullrich vorstellte, der für drei Jahre mindestens fünf Millionen Euro erhalten dürfte, steht unter besonderer Beobachtung des Weltverbandes. Die UCI gewährte Coast am 10. Januar erst im zweiten Anlauf die Erstliga-Lizenz unter Auflagen. «Der Streit betrifft Jan nicht - da geht es nur um die ausländischen Fahrer», sagte am Dienstag Ullrich-Manager Wolfgang Strohband, zur Zeit auch in Gandia.
Bei Coast fahren neben sieben Spaniern, noch zwei Schweizer, und jeweils ein Italiener, Schwede und Däne. Am Dienstag gaben sich im Frühstücks-Raum des Coast-Hotels die Anwälte der Fahrer die Klinke in die Hand. Während sich Ullrich und der Vuelta-Sieger von 2001, Luis Casero (Spanien), zu einer dreistündigen Trainingsrunde aufmachten, tagte hinter verschlossenen Türen ein Krisengipfel mit Coast-Chef Günther Dahms, Teamsprecher Marcel Wüst, Teamchef Rudy Pevenage, Strohband und einigen Anwälten.
«Wenn ich mein Geld nicht bekomme, fahre ich nicht mehr», sagte der spanische Profi Aitor Garmendia. «Dann beendet er eben seine Karriere. Die Forderungen der Fahrer sind totaler Quatsch», erklärte Wüst. Der inzwischen nicht mehr aktive ehemalige Coast-Profi Fernando Escartin aus Spanien, 1999 dritter der Tour de France, sagte: «2001 musste ich in Spanien 48 Prozent Steuern zahlen. Ich sehe nicht ein, dass ich jetzt auf weiteres Geld verzichten soll. Wir sind im Recht.»
Ullrich will in dieser Woche aus dem Trainingslager zurückkehren. Am 28. Januar steht ein Leistungstest in Lüdenscheid bei Ernst Jacob an, der auch die deutschen Skispringer um Sven Hannawald betreut. «Danach entscheiden wir, ob es schon Sinn macht, mit Jan ins Höhentrainingslager zu gehen. Wahrscheinlich wird er noch an seinen Grundlagen arbeiten müssen und im Februar in der Toscana trainieren», sagte Lindner.