Hamburg (dpa) - Die kommende Tour de France steht für die deutschen Radprofis unter keinem guten Stern. Vorjahres-Etappensieger Linus Gerdemann muss nach einem doppelten Beinbruch um seinen Tour-Start bangen.
Bei der Fernfahrt Tirreno-Adriatico stürzte der 25-Jährige vom T-Mobile-Nachfolger High Road schwer und zog sich einen Oberschenkelbruch, eine Schienbeinfraktur und tiefe Schürfwunden zu. «Meine Tour-Teilnahme wird sicherlich problematisch. Erst hieß es drei Monate Zwangspause, jetzt vielleicht sechs bis acht Wochen, aber ich werde nichts übereilen im Heilungsprozess», sagte Gerdemann der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Der Sturz mit Überschlag könnte den sympathischen Münsteraner, der sich in einem Hamburger Krankenhaus behandeln lässt und in drei Tagen mit seiner Operation rechnet, um den Saison-Höhepunkt bringen. Zuvor hatte bereits Rundfahrt-Spezialist Andreas Klöden eine Hiobsbotschaft hinnehmen müssen: Das Astana-Teams des zweimaligen Tour-Zweiten war wegen der Doping-Skandale der Vergangenheit vom Veranstalter ASO ausgeladen worden. Damit droht den deutschen Radprofis eine Tour ohne ernsthaften Anwärter auf die Top Ten. «Man muss die Hoffnungen auf die Tour aber nicht aufgeben», versuchte sich High-Road-Teamsprecher Stefan Wagner in Sachen Gerdemann in Zweckoptimismus.
Für den Vorzeige-Profi, der bei der Tour 2007 für einen Tag das Gelbe Trikot getragen hatte, war der doppelte Bruch doppelt bitter. Nicht nur Gerdemanns Tour-Teilnahme ist akut gefährdet, auch seine Hoffnungen auf den ersten bedeutenden Fernfahrt-Gesamtsieg blieben auf der Strecke. Im Zeitfahren in Italien stürzte der Münsteraner 1800 Meter vor dem Ziel, nachdem er den vor ihm gestarteten Danilo di Luca überholt hatte. Zu diesem Zeitpunkt fuhr der frühere T-Mobile- Profi seinem ersten Rundfahrt-Erfolg entgegen. «Ich wäre nach den Zwischenzeiten wohl Zweiter im Zeitfahren hinter Cancellara geworden. Das hätte zum Gesamtsieg gereicht», sagte Gerdemann dem Internetanbieter «radsportnews.com».
Trotz des schweren Sturzes, bei dem er die Absperrung touchierte und sich überschlug, schleppte sich Gerdemann ins Ziel und lag vor seiner Aufgabe nur 46 Sekunden hinter dem führenden Schweizer Fabian Cancellara. «Nach der Streckenbesichtigung dachte ich, dass ich die Kurve am Lenker fahren kann. Ich hatte rund 60 km/h drauf und bin irgendwie weggerutscht», schilderte der Pechvogel sein Unglück. Frühestens Anfang Mai kann er wieder mit dem Training beginnen - bis zum Tour-Start am 5. Juli in Brest wird es im Ringen um die Topform auf jeden Fall ein Rennen gegen die Zeit.
Dabei hatte Gerdemann, der sich mit seinem unbekümmertem Auftreten und klaren Aussagen in Zeiten der Doping-Dauerproblematik viele Sympathien erworben hatte, seine gesamte Saisonvorbereitung nach der Tour ausgerichtet. Wie im Vorjahr beim Etappensieg in Le Grand Bornan in den Alpen wollte er auch 2008 für Furore sorgen - und gemeinsam mit Co-Kapitän Michael Rogers den High-Road-Rennstall anführen.