Hamburg (dpa) - Ein Sieg könnte Jan Ullrich in doppelter Hinsicht helfen. Sowohl seine zumindest diskussionswürdige Leistung bei der Tour de France als auch die Team-internen Querelen, ausgelöst durch die Godefroot-Kritik, würden im Erfolgsfall vermutlich in den Hintergrund treten.
Also prophezeit der T-Mobile-Kapitän der Konkurrenz vor dem einzigen deutschen Weltcup-Rennen in Hamburg durch die Blume einen heißen Tanz: «Ich bin in Topform, meine Erkältungs-Krankheit, die mich in der Tour geschwächt hat, ist restlos überwunden. Aus meiner Hamburger Zeit kenne ich vom Training jeden Stein auf der Strecke.»
Allerdings kommen seine Gegner bei den HEW-Cyclassics mit dem Tour-Zweiten Andreas Klöden und dem nach frischem Erfolg lechzenden Erik Zabel auch aus den eigenen Reihen. Der neuerdings wieder an der Weltranglisten-Spitze rangierende Berliner gewann im Hamburg vor drei Jahren. Allerdings dürfte die Konkurrenz aus anderen Teams über die 250 km noch schwerer in Schach zu halten sein. Besonders die Italiener mit dem Vorjahressieger Paolo Bettini und dem Weltcup-Spitzenreiter Davide Rebellin signalisieren großes Interesse und ebensolche Möglichkeiten.
Der Kapitän des Gerolsteiner-Teams durfte den Juli ohne Tour- Stress hinter sich bringen und empfahl sich für Hamburg mit zwei Etappensiegen bei der Sachsen-Tour. Rebellin, im April der Mann der Woche, als er hintereinander Lüttich-Bastogne-Lüttich und das Amstel Gold Race gewann, will seine souveräne Weltcup-Führung mit 200 Punkten im sechsten von zehn Weltcup-Rennen ausbauen. Ihm, aber wahrscheinlich auch Ullrich, dürfte entgegenkommen, dass der Parcours durch jetzt insgesamt vier Besteigungen des Wasebergs (bis 16 Prozent) etwas verschärft wurde.
Spannend dürfte es aber schon am Tag vor dem Rennen wertden. Walter Godefroot und Ullrich treffen zu einem kleinen Krisengipfel zusammen. Der Tour-Vierte fühlte sich durch die Kritik seines Team-Managers über die französische Presse ungerecht beurteilt und kündigte via Fernsehen «Konsequenzen» an. Wie die aussehen könnten, ist auf Grund der vertraglichen Konstellationen schwer zu sagen. Die Godefroot GmbH hat mit T-Mobile einen Vertrag bis 2006 und so lange auch die meisten Fahrer gebunden. Nur Ullrich und sein Umfeld belasten als Sonderposten T-Mobile getrennt.
Es ist kaum anzunehmen, dass der 61-jährige Godefroot aus dem Geschäft aussteigt, um beispielsweise dem von ihm zur persona non grata erklärten Ullrich-Betreuer Rudy Pevenage das Feld zu überlassen. «Eine deutsche Zeitung hat einen solchen Wechsel schon vorgeschlagen», bemerkte Godefroot amüsiert. Sowohl Ullrich-Manager Wolfgang Strohband, als auch Godefroot wollten über mögliche Gesprächs-Inhalte nichts verraten. Der Belgier ruderte bereits etwas zurück, fühlt sich zum Teil falsch verstanden. Er machte aber noch ein Mal deutlich, dass es «mit Pevenage keine Zusammenarbeit geben wird, die über den jetzigen Umfang hinaus geht».