Cala d'Or (dpa) - Im Fall Jan Ullrich naht die Entscheidung. Die Unsicherheiten um seine Verstrickung in die Doping-Affäre Fuentes könnten schon bald beendet sein.
Wie das Nachrichtenmagazin «Focus» berichtete, plant die Staatsanwaltschaft Bonn, die gegen den ehemaligen T-Mobile-Kapitän wegen Betrugs ermittelt, einen DNA-Abgleich. Der würde klären, ob die bei der Razzia im Mai in Madrid sichergestellten und Ullrich zugerechneten Blutbeutel wirklich sein Blut enthalten. Unterdessen hat Tour-de-France Direktor Christian Prudhomme den in die Affäre verstrickten Radprofis Ullrich und Ivan Basso nicht viel Hoffnung auf einen Start im Juli gemacht.
Ullrich bestreitet weiter, in den Doping-Fall verwickelt zu sein oder den von der spanischen Justiz verfolgten Frauenarzt aus Madrid überhaupt zu kennen. Nach der Durchsuchung seiner Villa an der Schweizer Seite des Bodensees hatten die dortigen Behörden von Ullrich eine Speichelprobe genommen, berichtet «Focus». Der Ermittlungsrichter in Spanien soll das Blutplasma zur weiteren Auswertung frei gegeben haben.
«Wir behalten uns das Recht vor, Fahrer auszuladen - Namen spielen dabei keine Rolle», sagte der Tour-Direktor Prudhomme als Gast der T-Mobile-Team-Präsentation in Cala d'Or auf Mallorca. Bis zum Tourstart am 7. Juli in London sei es noch weit hin, täglich ändere sich die Nachrichtenlage in der Fuentes-Affäre. Aber der Tourchef ließ an seiner Haltung kaum Zweifel: «Wir sind vorbereitet, wenn sich nicht zugelassene Fahrer ins Rennen klagen wollen.»
Prudhomme verfolgt laut Kai Rapp, Chef der Deutschland-Tour, der Basso und Ullrich auf ARD-Druck unmissverständlich bereits die Rote Karte («unerwünscht») zeigte, eine Strategie: «Deshalb positioniert er sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so klar wie wir. Aber es besteht kein Zweifel, dass wir die gleiche klare Linie vertreten», sagte Rapp, der keinen der 51 in die Fuentes-Affäre verstrickten Profi starten lassen wird, auch wenn die Rechtslage in allen Fällen noch nicht geklärt ist. Prudhomme («Fast täglich gibt es neue Erkenntnisse im Fuentes-Fall») forderte: «Der Vorsatz von Straßburg, Tabula rasa zu machen, muss weiter halten». Damit nahm der Franzose Bezug auf den Ausschluss der beiden Top-Profis unmittelbar vor dem Tourstart 2006.
Giro-Sieger Basso will als Kapitän des amerikanischen Discovery Channel-Teams in London an den Tour-Start gehen. Etwas großspurig hatte er bei der Präsentation der Italien-Rundfahrt im alten Jahr erklärt, nach seinem zweiten Giro-Sieg 2007 auch seinen ersten Tour- Erfolg anzupeilen. Ullrich, dem zwei Zivil-Gerichts-Verfahren und ein Sportrechts-Prozess drohen, hat zur Zeit weder eine Lizenz noch ein Team. Die zweifelhafte Entscheidung der Vereinigung der Elite-Teams, Discovery Channel wegen der Basso-Verpflichtung nicht auszuschließen, könnte allerdings wie Wasser auf seine Mühlen gewirkt haben.
Aber wenn die Bonner Staatsanwälte jetzt die Verbindungen zwischen Fuentes und Ullrich offen legen würden, wäre es um die ohnehin recht vage sportliche Zukunft der einstigen deutschen Radsport-Ikone wohl endgültig geschehen. Trotz bereits erdrückender Indizien gegen ihn, halten die Fans offensichtlich weiter zu Ullrich. In einer Ted-Umfrage sprachen sich 75 Prozent der Zuschauer des ZDF-Sportstudios für ein Tour-Startrecht aus.
Auch der Fall des positiv getesteten Toursiegers Floyd Landis (USA) ist noch nicht abgeschlossen. «Die Entscheidung der amerikanischen Anti-Doping-Behörde steht bevor. Danach muss der Weltverband reagieren», sagte Prudhomme, der den faktisch Zweiten, Oscar Pereiro (Spanien), gerne endlich zum Toursieger 2006 küren würde. Landis, der zur Finanzierung seiner enormen Anwaltskosten ein Spenden-Konto eingerichtet hat, wurde mittlerweile zu einer Anhörung am 8. Februar vor die französische Anti-Doping-Agentur AFLD geladen.
Sie könnte eine mögliche Sperre für Frankreich aussprechen, so dass Landis der Weg zur nächsten Tour auch versperrt bliebe, wenn ihn sein Heimatverband wider Erwarten frei sprechen sollte. Der 32- jährige Landis («Ich will nochmal die Tour gewinnen») war in zwei Doping-Proben positiv auf Testosteron, macht aber Verfahrensfehler bei der Analyse geltend und streitet ein Vergehen ab. Das Urteil in den USA gegen ihn soll im März gefällt werden.