Erfurt (dpa) - In Erfurt und Streufdorf wird bei den deutschen Rad-Meisterschaften am Wochenende der Ernstfall Tour de France geprobt.
Im Straßenrennen heißt die Frage eine Woche vor dem Tourstart: Holt André Greipel zum dritten Mal den Titel oder feiert Marcel Kittel eine Premiere in Schwarz-Rot-Gold? Im Zeitfahren steht ein erneutes Solo von Tony Martin bevor.
«Mit dem Meistertrikot bei der Tour zu fahren, wäre ein Traum», sagte der wiedererstarkte Kittel vor den Titelkämpfen vor seiner Haustür. Der 215-Kilometer-Kurs in Erfurt dürfte den beiden Topsprintern, die sich zum letzten Mal vor der am 2. Juli in Mont-Saint-Michel beginnenden 103. Frankreich-Rundfahrt messen, auf den Leib geschneidert sein. Beide haben allerdings jeweils nur einen Helfer zur Seite. Rekordverdächtig ist die Zahl der gemeldeten 228 Starter.
Vor dem Duell der zurzeit wohl weltbesten Sprinter auf dem flachen Innenstadt-Kurs am Sonntag peilt Martin am Freitag im Zeitfahren über 41 Kilometer den sechsten Titel an. Der dreifache Zeitfahr-Weltmeister kann zwar noch keinen Saisonsieg vorweisen, konnte aber beim Critérium du Dauphiné einen Formanstieg nachweisen und scheint auf Tour-Kurs zu sein. 58 Fahrer sind am Start.
Zumindest ein kecker Herausforderer hat sich zu Wort gemeldet. «Ich trete zum ersten Mal im Elitebereich an und rechne mir eine Top-Fünf-Platzierung aus», sagte der U23-Meister Lennart Kämna. Er gilt als eines der größten Talente im deutschen Radsport. Sein Engagement im Pro Continental-Team Stölting hat dem ehemaligen Junioren-Weltmeister aus Fischerhude die Startgenehmigung bei den Elite-Fahrern gesichert, obwohl er noch in der Nachwuchsklasse starten könnte.
Schon jetzt liebäugelt der 19-Jährige mit WorldTour-Teams - vielleicht klappt es bereits 2017 mit einer Verpflichtung beim einheimischen Bora-Team, das mit weiteren Geldgebern endlich den Sprung in die erste Reihe des Radsports schaffen will.
Vor dem großen Kräftemessen bei der Tour haben der zweifache deutsche Meister Greipel und der Thüringer Kittel in dieser Saison auf großer Bühne beim Giro d'Italia oder zuletzt bei der ZLM-Tour schon mehrmals die Klingen gekreuzt. Alles in allem steht es etwa Unentschieden. In Frankreich geht es für das Duo schon - und wahrscheinlich nur - am ersten Tag bei der Auftaktetappe von Mont-Saint-Michel nach Utah Beach um das Gelbe Trikot. Sowohl Kittels Etixx-Quickstep-Team als auch Greipels Lotto-Soudal-Equipe sind bei der Tour ganz auf ihre schnellen Kapitäne ausgerichtet.
«Das ist eine der wenigen Chancen, als Sprinter das Trikot zu holen. Das werde ich dieses Jahr auf ein Neues zu probieren. Da sollte man nichts dem Zufall überlassen. Das heißt, wir werden uns mit Sicherheit die letzten 40, 50 Kilometer angucken», sagte Greipel. Nachdem er wegen einer Rippenverletzung im Frühjahr nicht das übliche Sprint- und Krafttraining absolvieren konnte, entwickelte sich die Saison mit drei Etappensiegen beim Giro bisher sehr gut.
Das Gefühl Gelb zum Tour-Auftakt kennt Kittel längst. 2013 auf Korsika und 2014 in Yorkshire/England brachte er die Kunststücke fertig, mit Etappensiegen gleich an die Spitze des Gesamtklassements zu fahren. Der Sieg in Erfurt soll ihm Rückenwind für die dritte Auflage des Coups am übernächsten Samstag in der Normandie geben.
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