Jan Ullrich: Der 29-Jährige aus dem Bianchi-Team hat das Rennen 1997 gewonnen, und genau das macht ihn aus Sicht von Armstrong gefährlich. «Er hat den Vorteil, dass er weiß, wie das geht», sagte der Amerikaner. Zudem hat der Olympiasieger vier 2. Plätze verbucht und sich trotz aller gesundheitlichen und privaten Rückschläge sowie der Querelen um das Team Coast in guter Verfassung präsentiert. Auch eine leichte Erkältung hinderte Ullrich bei der Tour de Suisse nicht daran, am Ende als Solist Rang 2 bei der schweren Bergetappe «Rund um Silvaplana» herauszufahren. Der junge Vater stapelt aber lieber tief: «Ich bin noch nicht so weit, um Armstrong zu schlagen.»
Joseba Beloki: Drei Podiumsplätze bei seinen ersten drei Tour-Teilnahmen machen Beloki erneut zu einem Anwärter für das Top-Trio. Der 29-Jährige war 2000 und 2001 jeweils Dritter, im Vorjahr wurde er sogar Zweiter, lag mit 7:17 Minuten Rückstand aber deutlich hinter Armstrong. In dieser Saison fiel Beloki bisher kaum auf. Vor kurzem erreichte der Baske in seiner Heimat Platz 2 bei der Rundfahrt «Euskal Bizikleta». Dies war sein bemerkenswertestes Resultat in dieser Saison. Beloki hofft dennoch auf seine Chance und meinte, selbst der fünfmalige Tour-Sieger Miguel Indurain habe seine Schwächephasen erleben müssen. Helfen soll Beloki, der ein besserer Berg- als Zeitfahrer ist, im Once-Team der Ansbacher Jörg Jaksche.
Gilberto Simoni: Mit seinem Sieg beim Giro d'Italia und grandiosen Vorstellungen in den Alpen bewies der Italiener, wozu er im Stande ist. Danach tönte er, Armstrong sei in den Bergen noch nie richtig herausgefordert worden. Der Amerikaner nahm das Ballyhoo gelassen und kann sich auf seine Vorteile im Zeitfahren verlassen. Zudem ist fraglich, ob die Strecke Simoni überhaupt genügend schwere Berge bietet, um seine Stärken ausspielen zu können. Zu den Assistenten in der Saeco-Mannschaft gehört Tour-Debütant Jörg Ludewig, für den Sprinter Ivan Quaranta weichen musste - noch ein Indiz für Simonis Ambitionen. Beim Giro 2002 war der 32-Jährige in einen handfesten Skandal verwickelt, als er zwei Mal positiv auf Kokain getestet und disqualifiziert wurde. Rechtzeitig vor dem diesjährigen Giro begnadigten ihn die italienische Justiz und Sportgerichtsbarkeit.
Iban Mayo: Noch ein Baske, der es Armstrong zeigen will. Im vorigen Jahr kam Mayo nach einer Verletzung nicht über Platz 82 hinaus, erreichte bei der Spanien-Rundfahrt zwei Monate später aber immerhin Rang 5. In dieser Saison überzeugte der 25-Jährige als Sieger der Baskenland-Rundfahrt und mit Platz 2 bei der Tour-Generalprobe «Dauphiné Libéré» in Südfrankreich. Hier gewann Mayo zwar den Prolog und die 4. Etappe, wurde von Armstrong aber im Einzelzeitfahren klar distanziert und blieb letztlich ohne Chance auf den Gesamtsieg. Für den Fahrer des baskischen Euskaltel-Teams ist es erst die zweite Tour-Teilnahme, Armstrong ist dagegen schon zum neunten Mal dabei.
Aitor Gonzalez: Der Spanier setzte mit seinem Sieg bei der letztjährigen Vuelta ein Ausrufezeichen. Den Triumph sicherte sich der 28-Jährige dabei erst im abschließenden Zeitfahren in Madrids Bernabèu-Stadion. Doch auch Gonzalez bestreitet die Tour de France erst zum zweiten Mal. Beim Giro d'Italia musste er in diesem Jahr mit Platz 19 vorliebnehmen, auch wenn er im Zeitfahren zum Schluss guter Dritter wurde. In den Bergen hielt er sich aber merklich zurück. «Armstrong muss auf einen Fahrer treffen, der stärker ist als er. Bei mir ist das etwas kompliziert, lasst uns also noch ein bisschen warten», sagte Gonzalez vom Team Fassa Bortolo, zu dem auch Sprintstar Alessandro Petacchi gehört. Gonzalez war erst nach langem Hin und Her um seinen Wechsel vom spanischen Kelme-Team bei der italienischen Mannschaft gelandet.
Santiago Botero: Nachdem Alexander Winokurow zuletzt bei der Tour de Suisse dem Team Telekom einen spektakulären Rundfahrt-Erfolg bescherte, soll Neuzugang Botero ein Hoffnungsträger für die Tour de France werden. Der Kolumbianer aus Medellin hat sich bis Ende April in seiner gebirgigen Heimat vorbereitet. Nach einer Erkrankung zeigte er aber erst zuletzt mit Platz 3 im Zeitfahren der Katalonien-Rundfahrt, wozu er fähig ist. Bei der vorigen Tour besiegte Botero beim ersten Rennen gegen die Uhr in der Bretagne sogar Armstrong und holte sich später noch den Weltmeister-Titel in dieser Disziplin. Insgesamt aber lag der 30-Jährige als Gesamtvierter satte 13 Minuten hinter Armstrong zurück.
Tyler Hamilton: Der 32-Jährige Amerikaner verhalf Armstrong als einer der wichtigsten Helfer im Team US Postal zu den ersten drei Tour-Siegen und hat den Vorteil, dass er seinen Freund am besten von allen Konkurrenten kennt. Vor zwei Jahren wechselte er in die dänische Mannschaft CSC von Tour-Sieger Bjarne Riis und machte in diesem Jahr sein Gesellenstück: Hamilton siegte im April beim wohl schwersten Weltcuprennen Lüttich-Bastogne-Lüttich und bezwang dabei auch den ambitionierten Armstrong. Danach setzte er sich bei der schweren Tour de Romandie durch. Seinen einstigen Chef sieht er aber weiter als Favorit: «Es ist unglaublich, aber er hat keine Schwächen», sagte Hamilton, der beim Giro 2002 Zweiter war - trotz eines gebrochenen Schulterblatts.