Stuttgart (rad-net) Bundestrainer Bernd Dittert hat das Vorbereitungsprogramm der deutschen
Verfolger ein wenig verändert: Statt leichte, kurze Etappenrennen mussten
die Elitefahrer des Bund Deutscher Radfahrer in den letzten Wochen
strapaziöse Rundfahrten überstehen. Zuletzt war man in Belgien, trat in der
Tour de Liège in die Pedale. „Sie haben sich alle prima durchgekämpft“, ist
Bundestrainer Dittert mit der Form seiner Mannschaft zufrieden und traut
ihnen in Stuttgart einiges zu.
Durch die Verlagerung der Bahn-Titelkämpfe von China in die
Schwaben-Metropole ist die Situation für das Gastgeberland eine andere, weil
das Publikum viel von den deutschen Athleten erwartet. „Auch China wäre ein
wichtiger Prüfstein auf dem Weg nach Athen gewesen, denn die Olympischen
Spiele im nächsten Jahr sind unser großes Ziel. Weltmeister kann man jedes
Jahr werden, aber Olympische Spiele sind nur alle vier Jahre“, macht Dittert
deutlich. Unter Druck gesetzt fühlt er sich dennoch nicht. „Natürlich ist
eine WM im eigenen Land auch eine schwere Hypothek, aber ein gutes Ergebnis
wollten wir auch in China erreichen, jetzt sind wir umso mehr motiviert, im
eigenen Land erfolgreich abzuschneiden“, so der Berliner.
Mit Daniel Becke und Robert Bartko kehren zwei Fahrer des Olympia-Vierers
von Sydney wieder auf die Bahn zurück, die für die Mannschaftsverfolgung
gesetzt sind und neben Guido Fulst und Jens Lehmann voraussichtlich zum
Einsatz kommen werden. Damit ist das Gold-Quartett von Sydney wieder
komplett. Befürchtungen, dass Bartko und Becke durch ihre Straßenkarriere
der Bahn zu entwöhnt sind, hat Dittert nicht. „So was verlernt man nicht“,
sagt der Bundestrainer, der Ende 1986 mit dem Bahn-Vierer WM-Zweiter wurde
und 1988 in Seoul die Bronzemedaille in der Einerverfolgung gewann. Auch
1991, bei den letzten Titelkämpfen in Stuttgart, war Dittert noch aktiv,
jubelte mit dem Straßenvierer über die Silbermedaille, die das Quartett ein
Jahr später in Barcelona in Olympisches Gold verwandeln konnte.
Mit zunehmendem Rennfahreralter hält Bernd Dittert ein intensives
Straßentraining für sehr wichtig. „Je älter man wird, umso mehr Kilometer
braucht man auf der Straße, um die nötige Härte zu erlangen“, weiß Dittert,
der vor der Abreise nach Stuttgart noch einige Tage Bahn-Training in
Frankfurt/Oder angesetzt hat. Dort will er vor allem an der Harmonie des
Vierers feilen. Perfektes Anfahren und optimale Ablösungen sind neben der
richtigen Geschwindigkeit für Erfolg und Misserfolg verantwortlich.
Während im Vierer jede Nation mit einem Team an den Start geht, ist die
Konkurrenz in der Einerverfolgung weit höher. Die Australier dürfen
beispielsweise mit vier Athleten starten. Neben Titelverteidiger Bradley
McGee ist auch der Kontinentalmeister gesetzt. Hinzu kommen die zwei
üblichen Startplätze. Auch die starken Ukrainer schicken mit Europameister
Wolodimir Dyudya einen dritten Mann nach Stuttgart. Trotzdem hofft Dittert
auf eine Medaille.
Im Zweier-Mannschaftsfahren verpassten Guido Fulst und Andreas Müller als
Vierte vor einem Jahr nur knapp das Podium. „Eine Medaille ist möglich“,
spekuliert Dittert, der aber in erster Linie auf die klassischen Disziplinen
der Einer-und Mannschaftsverfolgung setzt. Im Punktefahren hatte im
vergangenen Jahr der Brite Chris Newton die Nase vorn, und der deutsche
Starter Andreas Müller kam nicht über einen 20. Platz hinaus. Eine weitere
Bronzemedaille in den Ausdauerdisziplinen gab es vergangenes Jahr im
Scratch.
Dagegen gingen die deutschen Damen in den Ausdauerdisziplinen Verfolgung und
Punktefahren vor einem Jahr in Kopenhagen leer aus. Auch in Stuttgart ist
nicht unbedingt mit einer Medaille zu rechnen, wenn Christina Becker und
Anke Wichmann gegen die starke internationale Konkurrenz antreten. Sorgen
bereitet Bundestrainer Joachim Hartnick eine Viruserkrankung, die beide
Athletinnen letzte Woche befiel. „Sie waren zu Rennen in Bochum und kamen
danach krank nach Cottbus“, bedauert Hartnick, der in der Woche vor den
Titelkämpfen in Stuttgart mit dem Verfolger-Duo nach Frankfurt/Oder zum
Abschlusstraining reist. Inzwischen sind Becker und Wichmann wieder voll im
Training und vielleicht können die deutschen Damen den Heimvorteil nutzen
und in Stuttgart doch für eine Überraschung sorgen.
Weitere Infos zur Bahn-WM in Stuttgart...