London (dpa) - Der Doping-Generalverdacht nagt auch an Andreas Klöden, der mit einer Gala-Vorstellung in die 94. Tour de France gestartet ist.
Nach seinem zweiten Platz im Prolog, zumindest Ausweis für aktuelle Topform, flüchtete der Wahlschweizer aus dem Zielbereich geradezu vor ihn bedrängenden Journalisten. Der zeitweilige Belagerungs-Zustand seines Team-Busses, in den sich Klöden verschanzt hatte, erinnerte ein wenig an die überkandidelten Jan-Ullrich-Zeiten.
Etwas später rang sich Klöden, der den 7,9 Kilometer-Kurs durch die Londoner Innenstadt 13 Sekunden langsamer als der in Moped-Geschwindigkeit zum Sieg rasenden Fabian Cancellara (53,66 Km/h) bewältigte, eine kurze Stellungnahme ab. «Ich habe das geschafft, was ich erreichen wollte, einen Abstand zu meinen Haupt- Konkurrenten herzustellen. Ich werde mich in den nächsten Tagen aus allem heraushalten und versuchen, diesen Vorsprung zu halten.»
Cancellara fuhr den drittschnellsten Tour-Prolog aller Zeiten. Den Rekord hält der ehemalige Stunden-Weltrekordler Chris Boardman (England), der 1994 über 7,2 Kilometer ein Stundenmittel von 55,15 Kilometer erreichte.
Für die Kleinigkeit von 7900 Meter ist der von Klöden auf die vermeintlichen Tour-Favoriten herausgefahrene Zeitpuffer beachtlich: Er machte 13 Sekunden auf seinen nominellen Kapitän Alexander Winokurow gut, 27 auf Levi Leipheimer, 30 auf Alejandro Valverde und 43 auf Carlos Sastre. «Das gibt ihm Selbstvertrauen, aber was dieser Vorsprung wert ist, wird man später sehen», sagte sein Astana- Teamchef Mario Kummer.
Sofort wurde die Frage nach der Hierarchie gestellt. «Winokurow ist unser Kapitän, erst wenn im Rennen etwas Gravierendes passieren sollte, zum Beispiel auf der ersten richtigen Bergetappe nach Tignes, können wir darüber nachdenken», sagte Kummer, der im vorigen Jahr noch in T-Mobile-Diensten stehende Sportchef. Bei Astana liegen die Nerven blank. Manager Marc Biver kritisierte T-Mobile-Radsport- Kommunikationschef Christian Frommert für vermeintliche Doping- Verdächtigungen. Er «streue gezielt Gerüchte gegen Astana und Klöden in die deutsche Presse».
Eine Drohung des Weltverbands-Präsidenten Pat McQuaid unmittelbar vor dem Start hatte die Party-Stimmung aber etwas getrübt und könnte auch Klödens Astana-Team tangieren. Fünf Fahrer, bei denen in den letzten Wochen bei Doping-Kontrollen «auffällige Werte» festgestellt wurden, die allerdings nicht für einen positiven Befund reichten, stünden «die nächsten drei Wochen unter besonderer Beobachtung.» Namen nannte McQuaid nicht. Es liegt aber nahe, dass es sich um Tour- Teilnehmer handelt. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass er einen von uns meinte», sagte Kummer.
Schlechte Erfahrungen in dieser Beziehung hat die aus den Trümmern der Skandal-Mannschaft von Manolo Saiz entstandene Astana-Equipe ohnehin. Matthias Kessler wurde nach einer positiven A-Probe suspendiert, ebenso Eddy Mazzoleni, gegen den das Italienische Olympische Komitee wegen einer zurückliegenden Affäre ermittelt. Offensichtlich hat die UCI Astana seit Wochen im Fokus.
Anne Gripper, die Doping-Beauftragte des Verbandes, monierte vor zwei Wochen ein angebliches Versteckspiel der Astana-Fahrer vor drohenden Kontrollen. Sie sollen im Training mehrmals, neutrale, schwarze Trikots getragen haben. Astana-Sprecherin Corinne Druey erklärte, das sei nur an der Cote d'Azur aus Schutz vor lästigen Cyclo-Touristen der Fall gewesen. Im Trainingslager auf Teneriffa begegnete Markus Fothen Astana-Kollegen. Auf die Frage nach deren Outfit antwortet der Profi des Teams Gerolsteiner: «Ich trug unseren Teamdress.»
Auch der erste Träger des Gelben Trikots der Tour 2007 musste sich unangenehmen Fragen stellen. Es sei schwer gewesen, sich von dem umstrittenen italienischen Mediziner Luigi Cecchini trennen zu müssen, «schließlich hat er 30 Jahre Erfahrung», sagte Fabian Cancellara. Seinen Sieg wollte er auch «als Demonstration für die Mannschaft und die Arbeit von Bjarne Riis» verstanden wissen. Der dänische Teamchef und Toursieger von 1996, der im Vormonat öffentlich und emotionslos Doping im damaligen Telekom-Team gestanden hatte, blieb der Tour fern. Wahrscheinlich zu Recht fühlte sich Riis als unerwünschte Person.