Angouleme (dpa) - Die Tour de France steckt so tief in der Krise wie noch nie zuvor. Nach den Skandalen um Alexander Winokurow und Michael Rasmussen ist der Kampf zwischen den Tour-Veranstaltern und dem Weltverband UCI um Macht und Einfluss im Millionengeschäft in voller Fahrt.
Wenn Tour-Chef Christian Prudhomme in diesen Tagen über die Radsport-Nation Frankreich und ihr alljährliches Hochamt spricht, spart er nicht an hehren Worten - auch wenn zwei Tage vor Tour-Ende weitere aktuelle Dopinggerüchte kursieren. Es klingt wie in den Goldenen Zeiten des 104 Jahre alten Klassikers. «Hunderttausende Menschen säumen die Straßen Frankreichs», auch in diesem Jahr stehe in Paris eine Triumphfahrt auf den Champs-Élysées bevor.
Bei dem wichtigsten Wettbewerb im Radsport-Kalender wollen sich die Franzosen in Zukunft nicht mehr von den UCI-Funkionären hineinreden lassen. Die «Heilige Allianz» zwischen Rennställen, Weltverband und Tour im Kampf gegen Doping sei zerbrochen, sagte Tour-Präsident Patrice Clerc. Ab 2008, so sieht es der Rettungsplan vor, sollen andere, «ethische» Regeln für die Aufnahme von Fahrern und Teams gelten, die allein die Tour-Spitze festlegen will.
Dabei will die Tour vor allem mit der Welt-Antidopingagentur WADA zusammenarbeiten. Die UCI soll in den Plänen keine Rolle mehr spielen. Die Tour de France, die seit ihrer Entstehung Jahrzehnte ein ziemlich sicherer Raum für Doping-Betrug und Manipulationen war, bietet sich nun selber als Lösung für den zerrütteten Radsport an.
Doch verglichen mit seinen starken Sprüchen muten die Rezepte, mit denen Prudhomme neue Doping-Desaster verhindern will, ziemlich bescheiden an. Dann ist vor allem von Paragrafen, Ausschüssen und Runden Tischen die Rede. So ist auch beim Fall Rasmussen, der seine Trainingsorte verschleierte, um Dopingkontrollen zu entkommen, Streit um Richtlinien zwischen Tour und UCI ausgebrochen.
Weil der Däne in den 45 Tagen vor Tour-Beginn nicht an seinem angegeben Ort gewesen sei, hätte er nach der UCI-Bestimmung XIV. 8.220 gar nicht starten dürfen. Der Verband hätte den früheren Mountainbike-Weltmeister sofort sperren müssen, sagt Prudhomme. UCI-Chef Pat McQuaid beruft sich dagegen auf einen anderen Artikel, wonach erst nach drei Verwarnungen die Rote Karte gezeigt werden darf. Dieser Artikel und nicht die 45-Tage-Frist solle auch in Zukunft angewandt werden.
Der Streit zwischen Weltverband und Tour hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Mit Gründung der ProTour im Jahr 2004, die die 27 wichtigsten Wettbewerbe umfasst, wollte der damalige Verbandspräsident Hein Verbrueggen - noch heute die Graue Eminenz - die UCI-Hoheit im Radsport unterstreichen. Doch die Tour als Hauptwettbewerb lässt sich ungern in das Korsett zwängen. Mit einem Umsatz von 132 Millionen Euro, einem Jahresgewinn von 15 Millionen und weltweiten Fernsehrechten sieht sie sich als eigenständiger Spieler.
Die Tour-Organisation ASO, die zum großen französischen Medienhaus Amaury («L'Equipe», «Le Parisien») gehört, ist auch Veranstalter anderer Klassiker. So könnten sich nicht nur die Tour, sondern beispielsweise Rennen wie Paris-Roubaix, Lüttich-Bastogne-Lüttich oder Paris-Nizza von der UCI-Hoheit lösen. Dem Radsport würde eine Spaltung drohen, wie sie beim Profi-Boxen mit zahlreichen konkurrierenden Organisationen längst Gang und Gebe ist.
Eine Loslösung vom Weltverband hält Hans-Michael Holczer, der Manager des Teams Gerolsteiner, allerdings für «juristisch wahrscheinlich schwierig». Es hätte laut Holzcer «in vergangener Zeit Vermutungen geben, dass ein neuer Verband gegründet werden soll». Sie hätten sich aber nicht bestätigt. Das neue Modell der Vereinigung für einen glaubwürdigen Radsport (MPCC), sozusagen ein «Club der Anständigen», könnte richtungweisend sein.
Der während der diesjährigen Tour gegründeten Vereinigung gehören derzeit acht ProTour-Teams an, die sechs französischen und die beiden deutschen T-Mobile und Gerolsteiner. «Wir sind für totale Transparenz, wenden den Ethik-Code konsequent an, tauschen untereinander sämtliche Blutwerte der Fahrer aus und legen den Inhalt der Gesundheitspässe offen». Kein Fahrer der Vereinigung benutze etwa Kortikoide, oft als «legales Doping» bezeichnet, sagte Holczer. Allerdings hat T-Mobile hier noch eine Bringschuld. Die medizinischen Daten der Profis aus dem Bonner Team müssen noch nachgereicht werden. «Das werden unsere Ärzte tun», sagte am Freitag sein technischer Direktor Luuc Eisenga.
Allerdings würde auch das transparente System Doping-Fälle wie beim jüngst ertappten Cristian Moreni vom französischen Cofidis-Team nicht verhindern. «Aber er hat nach fünf Minuten gestanden - da gab es kein leugnen und taktieren», sagte Holzcer.