Hamburg (dpa) - Der Chefredakteur der französischen Sportzeitung «L'Equipe», Claude Droussent, hat den Radsport-Weltverband UCI im Fall Lance Armstrong scharf kritisiert und ihm Untätigkeit vorgeworfen.
«Die UCI hatte 17 Tage gebraucht, um auf unseren Artikel zu antworten. Doch anstatt sich mit dem Fakt auseinander zu setzen, dass mit Armstrong der siebenmalige Tour-Sieger betrogen hat, wirft man uns eine Kampagne vor und sucht fiebrig nach dem Maulwurf», sagte Droussent in einem Interview der neuesten Ausgabe des Hamburger Nachrichtenmagazins «Der Spiegel». Der Verlag, in dem die «L'Equipe» erscheint, ist Mitorganisator der Tour de France.
Die Reaktion der UCI sei «traurig für den Radsport», meinte der Chefredakteur der angesehenen Sportzeitung. «Unsere Vision von der Tour wurde in den letzten Jahren zerstört. Ab Mitte der Neunziger ahnten wir, dass etwas nicht stimmt», sagte Droussent. Dann kam der Festina-Skandal 1998, und «nun wissen wir: Es wurde auch 1999 einfach weitergedopt. Wie soll man da glauben, dass nicht auch heute betrogen wird?»
Die französische Sportzeitung hatte am 23. August unter Berufung des Anti-Doping-Labors in Chatenay-Malabry berichtet, dass nachträglich untersuchte, anonyme Urinproben von der Tour de France 1999 Armstrong zuzuordnen seien. Der Texaner hat alle Doping-Vorwürfe vehement bestritten und inzwischen auch ein angedachtes Tour-Comeback strikt ausgeschlossen.
Inzwischen sind drei weitere Profis durch angeblich positive Proben von 1999 belastet worden; auch von der Tour 1998 sollen im Nachhinein 40 positive Proben auf das damals noch nicht nachweisbare Blutdopingmittel EPO vorliegen.
Dennoch bezweifelt der Chef der «L'Equipe», dass seine Zeitung die weiteren Unterlagen bekommt, um abermals Namen zu decodieren. «Nach der Schockwelle, die die Armstrong-Affäre ausgelöst hat, kann ich mir vorstellen, dass die Leute, die die Protokolle noch haben, den Schlüssel zum Safe noch einmal herumgedreht haben, oder sie haben mit den Unterlagen ein Lagerfeuer gemacht», sagte er dem «Spiegel».
Das Problem im Profiradsport sind nach Meinung Droussents «gewisse Hintermänner». Die Chefs der Teams, die Manager und die Helfer seien seit Jahren die gleichen. «Sie haben die Tour in der Hand. Wenn jemand gedopt ist, zeigen sie sich kurz scheinheilig überrascht und schmeißen den Fahrer raus. Die Bosse aber bleiben.» Solange diese Leute «nicht weggefegt werden, wird sich nichts ändern».