Wiesbaden (rad-net) - Mit «Berggeist» Franz Reitz feiert heute eine Institution des deutschen und hessischen Radsports seinen 80. Geburtstag. Seit er 1980 beim Start der Tour de France in Frankfurt und den Etappen nach und von Wiesbaden, wurde Reitz von den Organisatoren der Amaury Sport Organisation (ASO) in Paris immer wieder eingespannt wenn mit der Frankreichrundfahrt, wie 1992 in Koblenz Etappenziele in Deutschland angesteuert wurden. Einmal schaffte es Reitz sogar, Amerikaner und Bundeswehr zu überzeugen, für ein paar Stunden ein großes Manöver ruhen zu lassen und die Straßen für ein Rennen freizuhalten.
In Wiesbaden stellte Reitz Jahr für Jahr die Bundesligarennen und zwei Mal auch deutsche Meisterschaften oder das Etappenziel der Deutschland-Tour auf die Beine. Seine eigene Karriere als Rennfahrer begann Reitz 1947, mit 18 Jahren und mit etwas Glück den Kriegswirren entronnen. Wegen seiner ausgefeilten Kletterkünste hatte er im Feld bald seinen Spitznamen weg: Der «Berggeist». Wenn es bergauf ging fühlte er sich in seinem Element. So gewann er in der Österreich-Rundfahrt und wurde 1952 hinter Ernst Deutsch und Charly Gaul Dritter. 1950 gewann er die Vorarlberg-Rundfahrt beim ersten Auslandseinsatz deutscher Amateure nach dem Krieg, 1951 die Etappe Salzburg – Linz sowie Etappen in Jugoslawien und Finnland. Dabei kam er meist alleine an, Sprints waren nicht seine Stärke.
Ein Schlüsselerlebnis für Reitz war 1949 «Rund um Köln», als angekündigt war, dass die ersten zehn Fahrer eine Nationalmannschaft bilden würden. Der noch sehr unerfahrene und unsichere Franz Reitz war noch Fahrer der C-Klasse und startete mit Vorgabe auf B- und A-Klasse. An diese hängte sich aber, als die höheren Klassen aufschlossen und attackierten. Am Ende der 285 Kilometer führte er kräftig mit und wurde dann im arg zerrupften Feld Neunter. Damit erkannte er seine Stärke und tankte Selbstvertrauen.
Ab 1953 war Reitz Profi, wurde Zweiter der Deutschland-Rundfahrt 1955 (Etappensieg Hannover-Bielefeld) hinter Rudi Theißen aus Hildesheim. Er wurde 1954 Deutscher Verfolgungsmeister und beim schweren Rennen um die Weltmeisterschaft 1954 gefeiert, als mit Günter Pankoke aus Bielefeld als 20. und 21. Hand in Hand auf dem «Klingenring» als einzige Deutsche und Letzte des Klassements ins Ziel kamen.
Die deutsche Straßenmeisterschaft der Profis gewann der Jubilar 1975 im Zweierspurt gegen Host Tüler aus Wuppertal, mit dem er zusammen auch 1958 zu den sechs deutschen Fahrern zählte, die zusammen mit sechs Schweizern eine Tour-de-Fance-Mannschaft bildeten. Franz Reitz wurde 35. Ein Jahr später bildete er auf der zweiten Etappe nach harten Kämpfen im Finale mit Charly Gaul (Toursieger 1958) und Federico Bahamontes (Toursieger 1959) eine Dreierspitze bildete, die auf der zweieinhalb Meter breiten Straßen dem Ziel auf der Festung Namur entgegenstürmte. «Ich träumte schon vom Gelben Trikot», so Reitz. «Ich bin zwar ein schlechter Sprinter, aber das waren der Charly und der Federico auch. Der Sieger hätte das Gelbe Trikot bekommen. Doch dann fuhr der Bahamontes an einer Weggabelung, wo die Steckenposten offenbar geschlafen hatte, links statt rechts ab. Nach kurzer Zeit schrie Gaul „Ihr Idioten“, denn wir sahen das Zielband von hinten. Als wir gedreht hatten und wieder an die Weggabel kamen, waren da schon zehn andere vorbeigefahren und ich wurde nur Elter statt Erster vor Bahamontes und Gaul.»
Die dritte Tour de France von Reitz im Jahr 1960 in einer kompletten deutschen Mannschaft um seinen Freund Hennes Junkermann, der Vierter wurde, endete mit einem schweren Sturz und Gehirnerschütterung und Rückenverletzungen. Zwei weitere schwere Stürze im gleichen Jahr mit Oberschenkelbruch waren der Anfang vom Ende von Reitz Radsport-Karriere im Jahr 1962. In der Folge machte er eine Ausbildung als KfZ-Meister, betrieb und betreibt eine Tankstelle sowie zeitweise eine Werkstatt mit Alfa-Romeo-Vertretung und eröffnete ein Fahrradgeschäft, das sein Sohn Thomas führt.
Für Franz Reitz dagegen soll am 1. Februar ein Rentnerdasein beginnen. Zu der großen Feier werden in Wiesbaden zahlreiche hochkarätige Gäste erwartet. Zugesagt haben unter anderem Rudolf Scharping, Präsident des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und sein Vize Udo Sprenger, der Reitz bei der Organisation des Festes zu Seite stand und der frühere Wirtschaftsminister Hans Friedrichs, der einst als Chef der Dresdner Bank die Rennserie um das «Grüne Band» initiierte. Außerdem wollen der frühere Oberbürgermeister Hildebrand Diehl, die Fernsehjournalisten Klaus Angermann und Christian Döring und einstige Kollegen wie Rudi Altig, Hennes Junkermann, Klaus Bugdahl, Valentin Petry oder aus späteren Generationen Jochen Werner und Bodo Zehner teilnehmen.
Helmer Boelsen