Frankfurt (rad-net) - Der Sportbetrieb steht weltweit still. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Radsport im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und seine Athleten. Wie der deutsche Dachverband mit der Corona-Krise umgeht, darüber gibt BDR-Sportdirektor Patrick Moster im Interview Auskunft.
Ein Teil der Nationalfahrer kann ja auf der Straße trainieren, viele aber müssen auf Krafträume und Trainingshallen verzichten und improvisieren. Was hören Sie von Ihren Kaderathleten?
Patrick Moster: Unsere Kaderathleten sind alle gut betreut, stehen mit den Bundestrainern im regen Austausch. Einiges muss man improvisieren und nach Alternativen suchen. So haben wir Möglichkeiten gefunden, die Olympia- und Perspektivkader teilweise mit Langhanteln und ähnlichem auszustatten, das von den Olympiastützpunkten kurzfristig zu den Athleten nach Hause ausgeliehen wird. Bahn- und Straßenfahrer können ja außerdem auf der Straße trainieren.
Wie läuft der Kontakt zwischen Ihnen, den Bundestrainern und den Athleten in Zeiten der Corona-Krise?
Moster: Über Telefon und Email stehe ich in täglichem Kontakt mit den Bundestrainern. Außerdem gibt es regelmäßig Videokonferenzen, wo wir uns austauschen. Wir spielen verschiedene Szenarien durch, planen verschiedene Möglichkeiten des Wiedereinstiegs. Nach der Verschiebung der Olympischen Spiele ist die Bahn-Europameisterschaft in Bulgarien – wenn sie denn stattfindet – der Saisonhöhepunkt für die Bahnsportler. Wir versuchen einen methodischen Aufbau zu planen, zum eigentlich geplanten Termin aber auch zu einem anderen Zeitpunkt. Eine Bahn-Meisterschaft wäre im Vorfeld der EM wünschenswert, aber das ist alles auch abhängig davon, ob und wie es weitergeht. Das wird ja in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt. Und wir müssen eine gewisse Chancengleichheit für alle Athletinnen und Athleten wahren.
Hat der BDR eine Art Notprogramm, um die Motivation der Sportler aufrecht zu erhalten?
Moster:Jeder Trainer versucht, mit den Athleten im Gespräch zu bleiben und sie vor allem mental zu stärken und zu unterstützen. Das ist bei den meisten kein Problem, weil sie klare Ziele haben. Mit unseren Wirtschaftspartnern laufen auch einige Aktivitäten. So können die Athleten über die Geschäftsstelle internetfähige Rollen beziehen, zwar nicht umsonst, aber sehr günstig, um zu Hause zu trainieren und bestimmte Wettkampfsituationen zu simulieren.
Die ersten internationalen Großveranstaltungen im Sommer sind abgesagt. Die MTB-WM soll verschoben werden, viele wollen in den Herbst ausweichen. Das ist doch rein rechnerisch gar nicht möglich, wenn die UCI die Saison nur um zwei Wochen verlängert.
Moster: Ich denke, dass nicht alle Veranstalter, die derzeit noch von einer Verschiebung sprechen, in einigen Wochen finanziell noch in der Lage sind, ihr Rennen durchzuführen. Wie es die UCI auf internationaler Ebene plant, so erstellen auch wir eine Rangliste. Dabei haben beispielsweise die Durchführungen von nationalen Meisterschaften oberste Priorität. Gibt es zum Ausweichtermin weitere geplante Events, müssen die notfalls weichen. Die Rückkehr in den Rennbetrieb wird stufenweise erfolgen.
Die Olympischen Spiele wurden um ein Jahr verschoben. Was bedeutet das für die Olympia-Qualifikationen?
Moster: Das ist eine große Herausforderung für alle Verbände. Wie stellt man sicher, dass auch 2021 die besten Sportler nach Tokio reisen? Wer jetzt die Norm erfüllt hat, muss im nächsten Jahr nicht zwangsläufig der Beste sein. Wen schickt man dann ins Rennen? Man muss die Vorleistungen berücksichtigen, aber auch die individuelle Leistungsentwicklung mit einbeziehen. Das ist auf der Bahn anhand gefahrener Zeiten einfacher als in anderen Disziplinen.
Welche Qualifikationen sind abgeschlossen, welche noch nicht?
Moster: Auf Bahn und Straße sind sie abgeschlossen. Die Quotenplätze wurden bereits zugeteilt. Im BMX und Mountainbike hatte die UCI zum Stichtag 3. März die Qualifikation abgeschlossen, das war aber, bevor die Spiele verschoben wurden. Jetzt überlegt der Weltverband, die Qualifikation für diese Radsportarten unter sportlichen Aspekten neu zu regeln.
DOSB, der Bund und die Sporthilfe haben ihre Unterstützung auch in der Zeit der Krise zugesagt. Viele Kaderathleten sind auch über ihre Anstellung bei der Bundespolizei finanziell abgesichert. Gibt es trotzdem finanzielle Engpässe?
Moster: Unsere Athletinnen und Athleten und auch die Trainer sind abgesichert. Da gibt es derzeit noch keine Einschränkungen.
Wie verhalten sich die BDR-Sponsoren?
Moster: Das ist ein sensibles Thema. Wir stehen mit unseren Partnern in Kontakt und suchen einvernehmlich die Kooperationen richtungsweisend zu gestalten.
Die Mitarbeiter der BDR-Geschäftsstelle machen derzeit viel Homeoffice. Wie läuft die derzeitige Arbeit in Frankfurt?
Moster: Alle arbeiten derzeit viel, von Entspannung kann keine Rede sein. Die Vielzahl der Rennabsagen müssen abgewickelt werden. Veranstaltungen und Trainingsmaßnahmen müssen verschoben und neu geplant werden. Die Geschäftsstelle arbeitet derzeit auf Hochtouren, wenn auch nicht in Frankfurt, sondern vielfach von zu Hause. Die Mitarbeiter sind alle jederzeit erreichbar, und auch in dieser Krisensituation voll motiviert.
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