Lüttich (dpa) - Für ein Duell braucht Lance Armstrong nicht unbedingt Jan Ullrich. David Walsh hat keine Startnummer, zählt aber bei der 91. Tour de France zu den Haupt-Konkurrenten des Seriensiegers aus Texas.
Vor dem Start in Lüttich kam es zum ersten Aufeinandertreffen des britischen Enthüllungs-Journalisten mit Armstrong bei einer spannungsgeladenen Pressekonferenz. Das vor 14 Tagen erschienene Buch «L.A. Confidential», in dem Walsh und Co- Autor Pierre Ballester reihenweise Zeugen aufmarschieren lassen, die Armstrong Doping unterstellen, warf neue Schatten auf den 32- Jährigen, der in diesem Jahr den Jahrhundert-Rekord knacken und die Tour zum sechsten Mal gewinnen will.
Armstrong fixierte den in der ersten Reihe sitzenden Walsh, der vor drei Jahren auch dessen Zusammenarbeit mit dem umstrittenen italienischen Mediziner Michele Ferrari aufgedeckt und den Amerikaner in Erklärungs-Not gebracht hatte, mit zugekniffenen Augen. «Die ungeheuerlichen Anklagen in dem Buch verlangen eine ungeheuerliche Reaktion. Egal wie lange es dauert, werde ich dagegen mit allen Mitteln vorgehen, damit die Wahrheit ans Licht kommt», sagte Armstrong und verweigerte danach jede weitere Äußerung zum Buch- Inhalt. Die Autoren hätten laut Armstrong «fünf Jahre darauf verwendet, Material zusammenzutragen, um mich zu verunglimpfen und damit Geschäfte zu machen».
Der grauhaarige Walsh, der nach der Pressekonferenz von drei Kamera-Teams umringt war und ähnlich im Mittelpunkt stand wie der vom Krebs geheilte Jahrhundert-Fahrer, kam selbst nicht zum Fragen. Jedes Mal wurde ihm das Mikrofon verweigert. «Das ist kein persönlicher Rachefeldzug, sondern investigativer Journalismus. Die Skandal-Tour 1998 hat mir die Augen geöffnet», erklärte Walsh. «Wir wollen dazu beitragen, dass die Tour wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt.»
Die Pflegerin Emma O'Reilly, die drei Jahre bei Armstrong arbeitete, sein ehemaliger Team-Kollege Stephen Swart, ein früherer Mannschafts-Arzt und die Ehefrau des dreifachen Toursiegers und Landsmanns Greg LeMond sind die Zeugen der Anklage. Sie berichten über konspirative Unternehmungen, um Medikamente zu be- und entsorgen, von EPO-Gebrauch und von verbalen Bedrohungen durch Armstrong, der inzwischen Anwälte eingeschaltet hat. Hieb- und stichfeste Beweise legt Walsh nicht vor: «Was steht denn in dem Buch? - Gar nichts». Das hätten ihm Journalisten aus der ganzen Welt in zahlreichen E-Mails bestätigt.
Die Veröffentlichung des 375 Seiten starken Buches hätte ihn in seinen Vorbereitungen auf die Tour nicht gestört, berichtete Armstrong in Lüttich, als er auf dem Podium hinter gelben Rosen geduckt saß. Sehr überzeugend klang es nicht.