Plateau de Beille (dpa) - Lance Armstrong steht kurz vor der Rückkehr auf den Tour-Thron. Mit seinem Sieg auf der Königsetappe der 91. Tour de France in den Pyrenäen auf das 1780 Meter hoch gelegene Plateau de Beille machte der Favorit auf das Gelbe Trikot weitere Minuten gut.
Der fünfmalige Gesamtsieger erteilte seinem Konkurrenten Jan Ullrich wie schon am Vortag eine Lektion. Der Olympiasieger vom Team T-Mobile verlor auf dem 205,5 Kilometer langen 13. Teilstück mit insgesamt sieben Bergwertungen weiter an Boden und liegt nun in der Gesamtwertung aussichtslos mit über sechs Minuten hinter Armstrong. Sein Betreuer Rudy Pevenage hat schon resigniert: «An Wunder glaube ich jetzt nicht mehr. In Lourdes waren wir gestern.»
«Mein Team war unglaublich stark. Das ist ein absolutes Dream- Team», sagte Armstrong. Der Topfavorit zeigte sich überrascht, dass Ullrich und andere Rivalen nicht mithalten konnten, lobte aber den Zweitplatzierten Ivan Basso. «Der Konkurrent der Stunde ist Basso.» Es sei laut Armstrong «die schwerste bisherige Etappe» gewesen. Ullrich sprach von einer «klaren Steigerung zu gestern» und versprach: «In den Alpen hoffe ich, noch etwas machen zu können.»
Noch ernüchternder als für Ullrich, der als Sechster ins Ziel kam, ging der Samstag für Tyler Hamilton zu Ende: Der Tour-Mitfavorit aus den USA stieg an einer Verpflegungsstation nach 79 Kilometer entkräftet vom Rad und gab auf. Der 25-jährige Franzose Thomas Voeckler konnte seine Spitzenposition nach einer unglaublichen Energie-Leistung mit 22 Sekunden noch ein Mal knapp vor Armstrong verteidigen. «Das war sehr beeindruckend, er hat das Trikot verdient», lobte Armstrong, der ihn spätestens beim Zeitfahren in L'Alpe D'Huez am kommenden Mittwoch beerben wird.
Anders als am Vortag schenkte Armstrong seinem Freund Basso vom Team CSC diesmal nicht den Tagessieg. Auf dem Weg zum möglichen historischen 6. Gesamtsieg fuhr der Texaner in unnachahmlicher Manier an dem Italiener vorbei. Dritter wurde der großartig aufgelegte Georg Totschnig vom Team Gerolsteiner. «Für mich ist ein Traum wahr geworden», sagte der Österreicher. Entgegen der Prognosen von einem Zweikampf zwischen Armstrong und Ullrich wird es nun beim Showdown in den Alpen zu einem Tour-Duell zwischen dem Titelverteidiger und Basso kommen. Er liegt in der Gesamtwertung nur 1:17 Minuten hinter dem Topfavoriten.
Ullrich hatte auf der grausamen Pyrenäen-Etappe erneut das Nachsehen: 11 Kilometer vor dem Zielstrich musste der Tour-Sieger von 1997 dem Höllentempo Tribut zollen und abreißen lassen. Zum zweiten Mal nacheinander kam sein Helfer und Teamgefährte Andreas Klöden als Vierter vor ihm ins Ziel, 1:24 Minuten hinter Armstrong. Als abseits stehender Beobachter fand Pevenage die Situation «merkwürdig.» Der Ullrich-Betreuer gab zu bedenken: «Gestern war Guerini bei Jan, heute keiner aus dem Team. In der US-Postal-Mannschaft ist es sicher undenkbar, den Kapitän so alleine zu lassen.»
Einmal mehr machte Jens Voigt seinem Ruf als Ausreißer aller Ehre. Schon bei Kilometer 27 hatte er sich mit Mikael Rasmussen (Dänemark) auf den Weg gemacht. Auf dem 16 Kilometer langen Schlussanstieg wurden die Ausreißer jedoch gestellt. Nicht nur Ullrich blieb hinter den Erwartungen zurück: In Roberto Heras und Iban Mayo (beide Spanien) fielen weitere Anwärter auf den Gesamtsieg weiter zurück. Heras kam abgeschlagen ins Ziel, Mayo stand nach einem totalen Kräfteeinbruch knapp nach der Hälfte der bisher schwersten Bergetappe kurz vor der Aus.
Hamilton war an der Verpflegungs-Kontrolle nach 79 km vom Rad gestiegen. Wenig später war auch für Fabian Wegmann die Rundfahrt zu Ende. Der 24-jährige Gerolsteiner-Fahrer wurde bei seiner ersten Tour-Teilnahme Opfer des hohen Tempos. «Tyler hat sich von seinen Verletzungen in Angers nicht mehr erholt. Wir haben das in den vergangenen Tagen ein bisschen geheim gehalten, aber seine Situation hat sich nicht gebessert», sagte Team-Manager Urs Freuler. Beim Massensturz auf der 5. Etappe am 8. Juli hatte sich Hamilton schwere Prellungen am Rücken zugezogen.
Wie Hamilton musste auch Wegmann frustriert aufgeben. Zwei Monate nach seinem famosen Auftritt beim Giro d'Italia, als er mit dem Gewinn des Grünen Trikots für den besten Bergfahrer alle Erwartungen übertraf, ging sein Tour-Abenteuer zu Ende. Vor ihm hatten bereits zwei Team-Kollgen die Rundfahrt vorzeitig beendet.