Varese (dpa) - Lance Armstrong dreht am Rad, und selbst Bill Clinton hilft dem siebenmaligen Tour-de-France-Sieger zurück in den Rennsattel. Der einstige US-Präsident verlieh dem Comeback-Auftritt des 37-jährigen Amerikaners vor der Weltpresse zwar eine staatsmännische Note.
Doch die Zweifel an der Seriosität und sportlichen Sinnhaftigkeit des Unterfangens beseitigte die glamouröse Vorstellung nicht. Auch die Fragezeichen zum Thema Doping blieben. Stattdessen präsentierte sich der umstrittene Sportstar als Botschafter seiner Krebs-Stiftung und weltweiter Kämpfer gegen die heimtückische Krankheit, an der er selbst 1996 erkrankt war.
«Ich werde nicht sagen, wie sauber ich bin und wie gedopt andere sind», meinte Armstrong und präsentierte in Don Catlin seinen eigenen Doping-Experten. Mit ihm will er zusammenarbeiten «für den Fall, dass ich gut bin, um alle Zweifel an meiner Leistung auszuräumen». Ein geschickter Schachzug des latent unter Dopingverdacht stehenden Armstrongs. Was jedoch sind die Kontrollen eines ausgewiesenen Fachmannes wie Catlin - bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles und den Winterspielen 2002 in Salt Lake City unabhängiger Chef des Dopingtest-Labors - wert, wenn sein neuer Auftraggeber Armstrong heißt?
Doping-Experte Wilhelm Schänzer hat wie der frühere Chef der Welt-Anti-Doping Agentur WADA, Richard Pound, Zweifel und meinte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa: «Die Frage ist doch, wie gut ist Armstrong bis jetzt kontrolliert worden.» Zwölf Monate vor seinem Comeback sollte ein Athlet ins Kontrollsystem zurückgekehrt sein, fordert der Leiter des Instituts für Biochemie an der Sporthochschule in Köln. «Ein Jahr ist sogar ein bisschen knapp, mehr wäre hilfreich», sagte Schänzer.
Bei seiner Vorbereitung im Verborgenen hätte Armstrong, der sein Comeback 2009 im Astana-Team in Angriff nimmt, gefahrlos mit Anabolika nachhelfen und die Intensität des Ausdauertrainings mit EPO steigern können.
Die Tür sateht für die Rückkehr des siebenfachen Siegers Lance Armstrong im kommenden Jahr offen. «Wenn in den nächsten Monaten nichts passiert, spricht nichts gegen eine Teilnahme der Astana-Mannschaft», erklärte Tour-Direktor Christian Prudhomme. Aus «ethischen Gründen» war die Astana-Mannschaft, bei der US- Radprofi Armstrong anheuerte, in diesem Jahr von der Frankreich- Rundfahrt mit Vorjahressieger Alberto Contador ausgesperrt worden. Grund für die «Ausladung» waren die Doping-Vorfälle in den Jahren 2006 und 2007.
«Natürlich sind Rückschlüsse hochspekulativ», meinte Schänzer. Armstrong schweigt dazu und meinte lapidar in New York: «Ich fahre einfach nur Rad.» Aber reicht das, um im kommenden Juli mit dann fast 38 Jahren um den achten Sieg bei der Tour de France mitzufahren?
«Aus medizinischer Sicht wäre das sicher möglich», sagte im Gespräch mit der dpa Helge Riepenhof, der bei der Rad-WM in Varese Arzt des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) ist. «Man kann nicht sagen, biologisch ist 38 gleich 38.» Dass Armstrong sicherlich nicht mit Durchschnitts-Maßstäben zu beurteilen ist, habe er bei seinen letzten Starts im Marathon und bei Mountainbike-Rennen bewiesen. Schänzer stößt ins gleiche Horn: «Sportler mit ganz besonderen Merkmalen können auch mit 34 oder mehr Jahren optimale Leistungen bringen.»
«Wenn Armstrong tatsächlich die nächste Tour gewinnen sollte, wäre das extremst auffällig und könnte unter Umständen auf Manipulation hinweisen», behauptet Sportarzt, Kardiologe und Chef-Mediziner des Berlin-Marathons, Willi Heepe. «EPO-Gaben sind bei niedriger Dosierung nur kurz nachzuweisen. Es ist klar, dass es leistungsmäßig ab 35 bergab geht, auch, wenn man sich auf einem solch hohen Plateau wie Armstrong bewegt.» Für Heepe gilt das «unwiderruflich».
Zudem betont der Fachmann für Ausdauersportarten: «Der Stressfaktor beim Abruf von Extremleistungen wie sie im Profiradsport sicherlich nötig sind, ist in höherem Alter schädlicher als in jungem.» Armstrong bestreitet das nicht. «Wenn ich im Januar wieder starte, bin ich fast dreieinhalb Jahre nicht mehr Rad gefahren. Ich weiß nicht, wie gut ich sein werde, aber ich werde so gut wie möglich vorbereitet in die Tour starten.»