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Jan Ullrich führt das T-Mobile Team beim Training in Tours an.
30.06.2005 12:19
92. Tour so offen wie selten

Fromentine (dpa) - Kaum ist die Luft raus beim Fußball, dreht sich das große Rad. Drei Tage nach dem Ende des Confederations Cups schlägt die Tour de France die Sportfans in den Bann.

Sie bietet in ihrer 92. Auflage ab dem 2. Juli einen besonderen Clou: Der vermeintlich unschlagbare Lance Armstrong fährt zum letzten Mal mit dem Rad nach Paris und beendet am 24. Juli auf den Champs Elysees seine einzigartige Karriere. Der vier Mal an ihm gescheiterte Jan Ullrich hat deshalb nur noch einmal die Chance zu beweisen, dass der Texaner nach sechs Siegen in Serie doch bezwingbar ist.

Zumindest auf der 7. und 8. Etappe genießt Ullrich auf dem Weg nach Karlsruhe und von Pforzheim Heimvorteil: Zum insgesamt 11. Mal führt die Rundfahrt durch Deutschland. Doch die Gefahr ist groß, dass das besonders bei den deutschen Fans heiß ersehnte «letzte Duell» über 3607 Kilometer zu einem Mehrkampf oder wieder zu einem Alleingang des 33-jährigen Amerikaners wird.

Eingefleischte Ullrich-Fans wie sein jahrelanger Intimus Rudy Pevenage sind sicher, dass der T-Mobile-Kapitän auf seinen zweiten Toursieg nach 1997 zusteuert. Andere Experten favorisieren Armstrong - übrigens wie alle Buchmacher - oder äußern sich eher diplomatisch zurückhaltend. «Armstrong ist der große, große Favorit. Bei Ullrich würde ich gerne sehen, dass er diesmal stärker ist. Im Zeitfahren bei der Tour de Suisse war er stark, am Berg fehlte noch etwas», urteilte sein alter Team-Kapitän und Vorgänger als Toursieger, Bjarne Riis. Der Däne hat mit dem Vorjahres-Dritten Ivan Basso aus Italien, der sich im Zeitfahren stark verbesserte, als CSC-Teamchef selbst einen Joker im Ärmel.

Ullrichs Team-Kollege Erik Zabel, zum ersten Mal seit 1995 nicht dabei, verzichtete auf einen Tour-Tipp. Radsport-Fan und Ex-Minister Rudolf Scharping «hofft, dass es Jan schafft» und wünscht es ihm, der ehemalige Sprinter Marcel Wüst prophezeit drei Wochen eine gewisse Langeweile: «Es läuft wie immer - Armstrong gewinnt», warnt aber Ullrich und den Titelverteidiger wie nicht wenige besonders vor T- Mobiles Nummer zwei, Alexander Winokurow. Der Tour-Dritte von 2003 wird das Bonner Team wahrscheinlich verlassen, um im nächsten Jahr bei Discovery Channel womöglich Armstrongs Platz einzunehmen.

«Der siebte Sieg bedeutet mir nichts», antwortete der Dauersieger auf eine Frage im «Playboy»-Interview wahrscheinlich nicht ganz wahrheitsgetreu. «Zahlen bedeuten mir nichts», sagte der Texaner immer wieder, und doch lebte er immer nur für die ganz besonderen, kaum fassbaren Rekorde: Als geheilter Krebspatient gewann er 1999 seine erste Tour. Im Vorjahr triumphierte er als erster Profi in 101 Jahren Tour-Geschichte zum sechsten Mal, jetzt will er ungeschlagen seine Tour-Karriere beenden. Mehr Angst als vor dem Tod habe er vor dem Verlieren, sagt Armstrong, der nach dem Sport in die Politik wechseln will.

Beim Perfektionisten aus Texas war in der Vorbereitung Sand im Getriebe. Erst spät entschied er sich überhaupt zum Tour-Start. Dann kündigte er an, zum letzten Mal aufzusatteln. Seine erste von lediglich drei Rundfahrten zur Vorbereitung endete mit einer Aufgabe, vor einer Woche stürzte er im Training mit seiner Zeitfahrmaschine. «Bei Lance war in diesem Jahr alles anders als sonst. Er ist nicht optimal in die Saison gestartet und die Tatsache, dass es seine letzte Tour ist, wiegt schwer. Aber die Dauphiné Libéré hat gezeigt, dass er auf dem richtigen Weg ist», sagte sein Teamchef und Mentor Johan Bruyneel nach Armstrongs gelungener Generalprobe. Inzwischen vermeldet der Dauergast auf dem obersten Treppchen, er fühle sich in Form und motiviert wie selten.

Mit Rang vier bei der Dauphiné bringt Armstrong die gleiche Referenz mit zur Tour wie 2004. Allerdings stand er in den vergangenen sechs Jahren noch nie - wie dieses Mal - ohne einen einzigen Saisonsieg am Start. Ullrich wirft einen Sieg beim Zeitfahren der Tour de Suisse in die Waagschale und sprüht vor Eifer. Zusammen mit dem Großteil der Mannschaft flog er mit einer Sondermaschine vom ehemaligen Militärflughafen in Lahr nach Tours, um die Strecke des Team-Zeitfahrens vom 5. Juli abzufahren. Der Kampf gegen die Uhr auf dieser und der ersten Etappe über 19 Kilometer könnte zum Schlüssel der Tour 2005 werden.


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