Jerusalem (dpa) - Exotischer Startort, ein Topfavorit unter Doping-Verdacht und Lance Armstrong als Zaungast: Der 101. Giro d'Italia, der am Freitag in Jerusalem mit einem 9,7 Kilometer-Prolog beginnt, produziert ganz besondere Schlagzeilen.
Wegen der schwelenden Salbutamol-Affäre, die für Chris Froome in eine Doping-Sperre münden könnte, steht der Seriensieger aus Großbritannien unter erheblichem Druck. Auch wenn er sagt: «Es gibt keinen Grund, warum ich hier nicht fahren sollte.»
Die Feierstimmung beim ersten Auftakt einer Länder-Rundfahrt außerhalb Europas, immerhin ein 27-Millionen-Euro-Spektakel, ist durch die Anwesenheit des viermaligen Tour-Siegers nachhaltig getrübt. Auch wenn das die Organisatoren, die nur für die Startzusage des PR-Magneten Froome 1,4 Millionen Euro gezahlt haben sollen, anders sehen mögen.
Ab Freitag darf Froome seine Rekordjagd in der Heiligen Stadt beginnen, obwohl die ominöse Affäre um das Asthmamittel Salbutamol weiter ungeklärt ist. Vorjahressieger Tom Dumoulin, Lokalmatador Fabio Aru oder dem prominentesten der sieben deutschen Starter, Tony Martin, droht auf dem dreiwöchigen Weg von Jerusalem nach Rom ein Schattendasein. «Er ist als Gedopter gebrandmarkt», sagte Martin vor dem Start, und Dumoulin wiederholte seinen Standpunkt zur Causa Froome: «In seiner Position wäre ich nicht dabei.»
Die Geschichte könnte sich wiederholen: 2011 gewann Alberto Contador in Italien, obwohl er ein Jahr zuvor des Dopings überführt worden war. Erst 2012 war der Spanier nach einem Justiz-Marathon gesperrt und sein Giro-Sieg aberkannt worden. Um ein drohendes ähnliches Szenario zu verhindern, hatten Konkurrenten, Teamchefs und der Weltverbands-Präsident an das gute Gewissen Froomes appelliert. Er sollte sich zurückzuziehen, bis sein Fall geklärt ist.
Aber der umstrittene Sky-Kapitän, der als dritter Profi nach Eddy Merckx (1972/73) und Bernard Hinault (1982/83) Giro, Tour und Vuelta in Serie gewinnen könnte, beruft sich auf die Statuten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Sie lassen einen Start zu, bis mögliche Sanktionen wegen der im September 2017 festgestellten Verfehlung verhängt sind. Das Verfahren zieht sich seit fast acht Monaten hin - Klärung nicht in Sicht.
«Ich weiß, dass ich nichts verkehrt gemacht habe», hatte Froome am Mittwoch in Jerusalem erklärt und auf andauernde «vertrauliche Untersuchungen» der UCI verwiesen. Der Weltverband tut sich schwer, die Argumente der Froome-Seite, der hohe Befund habe natürliche Ursachen und mit Doping-Absichten rein gar nichts zu tun, abschließend zu werten.
Martin will den Froome-Fall weitgehend ausblenden und sich auf seinen «ersten Giro seit meinem Profistart 2008» konzentrieren. Die 3546 Kilometer bis zur Entscheidung am 27. Mai in Rom könnten zum sportlichen Wendepunkt für den 33 Jahren alten Wahlschweizer werden. Den letzten mageren Sieg hatte er im Juni 2017 bei den deutschen Zeitfahr-Meisterschaften verbucht.
Realistische Chancen auf sein erstes Rosa Trikot nach einem Sieg im Prolog rechnet sich Martin nicht aus. «Ich lege meinen Fokus auf die zweite und dritte Woche. Wir haben ein Team ohne Klassementsfahrer, ohne Sprinter und Bergfahrer. Wir haben alle eine freie Rolle, und ich werden versuche, in Ausreißergruppen mitzugehen und habe natürlich das Zeitfahren nach Rovereto im Blick», sagte Martin der Deutschen Presse-Agentur. Der Kurs am 22. Mai über 34 Kilometer in Norditalien liege ihm: «Das Zeitfahren ist flach bis wellig, unspektakulär, aber schön.»